Der Mensch ist gut – wie gut?

(Auch erschienen in Tichys Einblick)

Im Blick auf Dostojewski und Tolstoi hat Thomas Mann von der heiligen Literatur Russlands gesprochen – jeder versteht, was damit gemeint ist. Dostojewski dringt in die Seele der sozialen Außenseiter und der Verbrecher ein, nicht um dort das Böse aufzuspüren – das sieht ohnehin jeder -, sondern um zu zeigen, dass auch der böseste Mensch letztlich ein Gewissen besitzt und um das Gute weiß – ein Bewusstsein, das bei ihm nur verschüttet war. Bei Dostojewski ist auch, vielleicht gerade, der böse Mensch im Letzten gut, er hat sich nur auf den falschen Weg begeben. Diese Botschaft ist es, die kein anderer Autor so überzeugend und mit solcher Leidenschaft in seinen Werken vertrat wie Dostojewski. Der Mensch ist gut – wie gut? weiterlesen

Der Mensch ist böse – wie böse ist er?

(auch erschienen in: Tichys Einblick)

Seit der Entstehung der großen Sozialutopien ist es üblich, den Menschen als von Natur aus gut zu verstehen und alle Übel darauf zurückzuführen, dass er durch falsche Institutionen vom rechten Wege abgebracht worden sei. Man müsse deshalb nur die schlechten Institutionen und Anschauungen ändern, damit seine ursprünglich guten Eigenschaften wieder makellos in Erscheinung träten. Anders gesagt, genügt es, dem Menschen das falsche Gewand vom Leibe zu reißen, dann sei er wieder, was er von Natur aus ursprünglich war. Der Mensch ist böse – wie böse ist er? weiterlesen

FRIEDEN!

Wie immer nach Beseitigung einer großen, in diesem Fall sogar einer das Überleben der Menschheit existentiell bedrohenden Gefahr, hat der 1989 erfolgte Zusammenbruch der Sowjetunion die Zeitgenossen von einem Alptraum befreit und die Hoffnung auf eine kommende Zeit erweckt, die grundsätzlich anders und besser sein würde. Ein polyzentrisches System würde die bipolare Welt von gestern ablösen. Statt zweier in äußerster ideologischer wie militärischer Kampfbereitschaft gegeneinander verschworener Systeme würden von nun an Hundert Blumen auf einmal blühen, alle von ihnen mit dem Versprechen, im Hinblick auf unterschiedliche soziale Entwürfe, kulturelle Eigenarten und geistige Ziele der menschlichen Vielfalt in weit höherem Maße als vorher gerecht zu werden. Die Enge einer Konfrontation, die aus dem kalten jederzeit in einen heißen Krieg umschlagen konnte, würde der Weite des Multikulturellen, Multipolitischen und Multisozialen weichen. FRIEDEN! weiterlesen

Flucht aus der Freiheit

Seit Beginn seiner Geschichte hat sich der Mensch an zwei Arten des Wissens orientiert. Das eine lehrte ihn, sich in der Natur zurechtzufinden. Immer tiefer in deren Regelmäßigkeiten eindringend, fasste er dieses Wissen unter dem Namen der „Naturgesetze“ zusammen. Das Gesetzeswissen hat in den Naturwissenschaften und der auf ihnen beruhenden Technik seit Mitte des 18. Jahrhunderts einen Aufschwung genommen, der zu einer grundlegenden Umgestaltung der menschlichen Umwelt führte. Zum ersten Mal in seiner Geschichte lebt der Mensch in einer weitgehend von ihm selbst nach eigenen Bedürfnissen geschaffenen Welt. Diese historisch einmalige Einwirkung auf die äußere Natur wäre ohne die Kenntnis der in ihr herrschenden Gesetzmäßigkeiten nicht denkbar. Flucht aus der Freiheit weiterlesen

Unterkühlt contra Empört – Was kommt nach den Wortgefechten?

Zwei Leute sitzen sich in einem Interview gegenüber. Die Namen tun nichts zur Sache. Sie sind fast beliebig auswechselbar. Ihre Gefühlslage ist schon bezeichnender. Den einen Redner kann man nur als ‚unterkühlt’, den anderen muss man als ‚empört’ bezeichnen. Empörung steht neuerdings hoch im Kurs.

Empört: Mit Schröder hat es begonnen, der Feind des Sozialstaats hat sich ein linkes Mäntelchen übergeworfen. Wie sich die Rechten da freuten! Die brauchen immer nur abzuwarten: Ein paar geistig zerfressene Linke werden dann schon die Drecksarbeit für sie besorgen. Unterkühlt contra Empört – Was kommt nach den Wortgefechten? weiterlesen