Die Freiheit, die uns umbringt

Immanuel Kant, H. G. Wells, Arnold Toynbee, Bertrand Russell, Raymond Aron und Albert Einstein haben dafür plädiert, dass die Staaten – alle Staaten – auf einen wesentlichen Teil ihrer Souveränität verzichten. Diese Forderung leuchtet jedem ein, der sich keine Illusionen über die elementaren Bedrohungen macht, denen die Bewohner des Globus spätestens seit dem vergangenen Jahrhundert ausgesetzt sind. Der galoppierende Fortschritt des Klimawandels – unter anderem daran zu erkennen, dass das Grönlandeis viermal schneller schmilzt als noch vor einem Jahrzehnt prophezeit – ist schon jetzt nicht mehr aufzuhalten, aber nach Möglichkeit sollte er zumindest soweit eingedämmt werden, dass unsere Art nicht in einem Treibhaus erstickt, wo der Meeresspiegel am Ende 70 Meter über dem heutigen Niveau liegen wird und die meisten Millionenstädte im Meer versinken. Bis dahin wird freilich noch einige Zeit vergehen, aber die Richtung ist vorgegeben, denn die Abwehr der Gefahr erscheint solange unerreichbar als es jedem Staat überlassen bleibt, um des eigenen Wachstums willen, fossile Brennstoffe nach Gutdünken zu verheizen. Aller Fortschritt im Kampf gegen den Klimawandel hängt von der Bedingung ab, dass eine Art Weltpolizei (vermutlich zusammengesetzt aus den führenden Supermächten) darüber wacht, dass die Spielregeln zur Rettung des Planeten beachtet und eingehalten werden.

Der gleiche Imperativ

gilt im Hinblick auf die Nutzung der heute noch zur Verfügung stehenden nicht-fossilen Ressourcen. In unserer technisch hochentwickelten Zeit werden auch diese in einer Art globalem Potlatsch in den modernen Wegwerfgesellschaften nicht nur en masse konsumiert, sondern anschließend auch noch en masse in mehr oder weniger giftigen Müll transformiert. An Nachhaltigkeit ist unter solchen Umständen nicht einmal zu denken – im Gegenteil: Je mehr Staaten dem westlichen Beispiel folgen, umso schneller wird der noch vorhandene Rest an Rohstoffen abgebaut und als erstickendes Gift über Länder und Meere verteilt oder in Verbrennungsanlagen in die Atmosphäre geblasen.

Und das ist nur die eine, heute global sichtbare Wirkung unseres gewaltigen technologischen Könnens. So als wäre die Bedrohung durch Klimawandel und Rohstoffverbrauch nicht schon beängstigend genug, kommt noch ein weiteres Übel hinzu: das größte, auch wenn es – wie durch ein Wunder – bisher noch nicht zur Wirkung gelangte. Die Lebensflamme unserer Art könnte von einem Tag auf den anderen ersticken: Zum ersten Mal seit Bestehen von Homo Sapiens ist die Menschheit als Kollektiv dem Artentod ausgesetzt. Aufgrund unseres überragenden technologischen Könnens haben wir es so weit gebracht, uns selbst auf die rote Liste der zum Aussterben verurteilten Arten zu setzen – es genügt ein einziger Knopfdruck, womit eine der Supermächte – Russland, Amerika oder China – den Erstschlag auslöst. Vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen äußerte Präsident Kennedy am 25. September 1961 die Hoffnung, dass Nuklearwaffen aufgrund eines internationalen Übereinkommens endgültig abgeschafft werden. Denn „in unserer Zeit muss jeder Einwohner des Planeten damit rechnen, dass dieser nicht länger bewohnbar sein wird. Wir alle leben unter einem Damoklesschwert, das in jedem Moment aufgrund eines Zwischenfalls, eines falschen Kalküls oder aufgrund von Wahnsinn auf uns herniederfallen könnte. Diese Waffen müssen abgeschafft werden, bevor sie uns abschaffen….“

Nein, so war es gestern

heute ist es um vieles schlimmer, denn „der Fortschritt“ schreitet ja weiterhin unaufhaltsam und sogar in immer schnellerem Tempo voran. Inzwischen können sich selbst winzige Staaten wie Israel und bitterarme wie Nordkorea die apokalyptische Bombe leisten. In einer multipolaren Welt, wo jeder sich auf das Recht beruft, über Umfang und Art der eigenen Verteidigung zu bestimmen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis alle Staaten der Welt – und nicht nur wie bisher etwa ein Dutzend – über genug Bomben verfügen, um die ganze übrige Menschheit in Geiselhaft zu zwingen. Außer den klassischen Atommächten USA, Russland, Frankreich, England und China verfügen schon jetzt Pakistan, Indien und Israel über das apokalyptische Schwert. Nordkorea hat es bis zur Einsatzreife entwickelt und besitzt auch die dazugehörigen Raketen, um zumindest die eigenen Nachbarn auszulöschen. Auch Iran wird die Zentrifugen zur Urananreicherung wohl demnächst wieder laufen lassen, und was die Saudis tun, wissen ohnehin nur sie selbst. Über Japan besitzen wir genauere Informationen. Dort hat man in den achtziger Jahren dreihundert Kilogramm waffenfähiges Plutonium von den USA zu Forschungszwecken erhalten. Aufgrund seiner hohen technischen Kompetenz könnte das fernöstliche Land daraus in weniger als einem halben Jahrzehnt zwischen vierzig bis fünfzig Bomben herstellen. Außerdem verfügt Japan noch über vierundvierzig Tonnen weniger reinen Plutoniums, ausreichend für die Fabrikation von sage und schreibe fünftausend nuklearen Köpfen. Im Hinblick auf seinen Vorrat an potentiell nutzbarem Nuklearmaterial hat Japan sogar die Vereinigten Staaten eingeholt. Technisch ist das Land jederzeit in der Lage, sich unter die großen Atommächte einzureihen – eine Tatsache, mit der sich rechte Kreise, animiert durch Shintaro Ishihara, den Schriftsteller und langjährigen Bürgermeister von Tokio, auch gern in aller Öffentlichkeit brüsten.

Die Wahrscheinlichkeit

dass aufgrund bloßen Zufalls oder menschlichen Versagens „etwas passiert“, wächst daher mit jedem Tag, zumal die Träger der Bomben, Überschallraketen, mit jeder Generation schneller und schneller werden – und die Vorwarnzeit für ihren Einschlag dementsprechend geringer. Bei einem Erstschlag vonseiten des Gegners steht Russen wie Amerikanern heute keine halbe Stunde mehr zur Verfügung wie noch vor einem Jahrzehnt, sondern dieser ohnehin minimale Zeitraum ist inzwischen auf etwa fünf Minuten geschrumpft. Innerhalb dieser Zeit muss entschieden werden, ob es sich wirklich um einen tödlichen Angriff handelt, der den sofortigen Gegenschlag nach sich zieht, oder ob vielleicht doch nur eine Fehlmeldung vorliegt. Offensichtlich reicht diese Zeit für menschliche Entscheidungen nicht länger aus – zumal sie aufgrund des unvermeidlichen „Fortschritts“ in Zukunft noch weiter schrumpfen wird. Der Präsident und sein Stab können im attackierten Land auf die Herausforderung eines Erstschlags nicht länger reagieren. Deshalb müssen Amerikaner wie Russen die Entscheidung darüber, ob das globale Feuer entzündet wird oder nicht, an Computersysteme abgeben. Die Aussicht, dass das kollektive Schicksal der Menschheit in Zukunft in den Händen von Maschinen statt von Menschen liegt, ist die wohl bedrückendste aller Zukunftsperspektiven. Hält man sich nämlich vor Augen, dass solche Systeme fehlbar sind – sie waren es mehrfach in der Vergangenheit und selbst eine große Firma wie Boeing hat einem ihrer Flugzeuge (Max 737) ein fehlerhaftes Steuersystem eingepflanzt, sodass in zwei aufeinander folgenden Abstürzen an die dreihundert Menschen ums Leben kamen – dann weiß man, welchem existentiellen Risiko wir ausgesetzt sind. Überwältigt und mattgesetzt durch den eigenen technischen „Fortschritt“, haben wir unser Schicksal in die Hände der Künstlichen Intelligenz gelegt:

Furchtbare Neue Welt – wir haben uns selbst entmündigt.

Eine Rettung aus dieser den Klimawandel noch übertreffenden Not, die uns jederzeit ohne Vorankündigung heimtückisch überfallen kann, scheint nur durch Kontrolle möglich, nämlich durch den freiwilligen oder erzwungenen Verzicht aller Staaten auf einen Teil ihrer Souveränität. Um des gemeinsamen Überlebens willen darf es im 21. Jahrhundert nicht länger möglich sein, dass jeder Staat die Umwelt nach eigenem Belieben vergiftet, nach Belieben Rohstoffe verprasst und die übrige Menschheit nach Belieben mit Massenvernichtungswaffen bedroht. In einer multipolaren Ordnung, die jedem Staat die Freiheit erteilt, das gemeinsame Raumschiff Erde nach eigenem Gutdüngen auszubeuten, zu vergiften und mit Massenvernichtungswaffen existenziell zu gefährden, sollten wir die schlimmste aller denkbaren Alternativen erblicken. Die gegenwärtig etwa zweihundert Staaten der Welt werden das Ende dieses Jahrhunderts nur dann erleben, wenn sie, freiwillig oder – zur Not auch – gezwungen, einen Teil ihrer Souveränität an einen Weltpolizisten abtreten, der die weitere Proliferation von Massenvernichtungswaffen verhindert und zur gleichen Zeit den Planeten vor weiterer Ausbeutung und Vergiftung bewahrt.

Ein Weltpolizist?

Das scheint eine eher unsympathische, wenn nicht gar abschreckende Vision zu sein, fühlen wir uns dabei doch sofort an den berüchtigten Leviathan von Thomas Hobbes erinnert. Der englische Philosoph des 17. Jahrhunderts hatte den Dreißigjährigen Krieg vor Augen, in dem die Staaten Mitteleuropas einander barbarisch zerfleischten. Damit die Menschen sich nicht in Wölfe für ihre Mitmenschen verwandeln (homo homini lupus), bedürfe es eines Fürsten, so Hobbes, an den sie einen Teil ihrer Souveränität abgeben, nur so lasse sich der gegenseitige Vernichtungskampf beenden. Hobbes konnte damals noch nichts davon wissen, dass die heutige Menschheit, selbst wenn sie scheinbar den Frieden genießt, permanent der Vernichtung ausgesetzt ist, denn einen Erstschlag kündigt eine Supermacht natürlich nicht vorher an. Ich kenne keine andere sozio-politische Theorie, die so treffend unsere heutige Situation beschreibt und mit unbestechlicher, wenn auch unerfreulicher Logik die einzige Lösung beschreibt, die einen möglichen Ausweg verheißt.

Denn die bekannte Devise „Global denken, lokal handeln“ verfängt in unserer Situation nicht länger. Selbst wenn wir alle global durchaus das Richtige denken, weil wir uns sehr wohl bewusst sind, dass wir mit Klimawandel, galoppierendem Ressourcenverschleiß und allgemeiner Nuklearaufrüstung gemeinsam in Richtung Abgrund laufen, handeln wir dennoch lokal genauso wie vorher, weil derjenige, der das Richtige tut, als der Dumme den Schaden hat, solange die anderen ihm nicht folgen. Würde sich zum Beispiel eine der heutigen Supermächte aus freien Stücken dazu entscheiden, ihr gesamtes Atomwaffenarsenal von heute auf morgen zu verschrotten, so wäre das zwar eine moralisch unglaublich mutige Tat, aber zugleich eine machtpolitische Dummheit, denn aufgrund der eigenen Selbstschwächung würde der unglückliche Pionier augenblicklich unter die Kuratel der verbliebenden Supermächte geraten. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und seiner weltpolitischen Ohnmacht während der neunziger Jahre musste Russland diese Wahrheit schmerzhaft am eigenen Leib erfahren. Zwar hatte Russland sich nicht freiwillig geschwächt, sondern geriet durch Wettrüsten ökonomisch heillos ins Hintertreffen, aber diese Schwächung rief bei den Rivalen keinerlei Mitleid hervor. Denn auch wer moralisch vorangeht, kann bestenfalls in einer kleinen Gruppe von Menschen als richtungsweisendes Beispiel wirken, aber nicht in einer Welt von Mächten mit grundverschiedenen Interessen. Hier wird der Schwache schlicht von den Starken gedemütigt, wenn nicht einfach geschluckt..

Man mag es traurig finden

aber es ist Realität: Ohne einen Weltpolizisten kommt die Menschheit nicht länger aus. Tatsächlich ist er ja auch heute bereits vorhanden. Wann immer die drei Supermächte – die USA, Russland und China – im UNO-Sicherheitsrat gemeinsam eine Resolution beschließen, handelt es sich de facto um die Erlässe einer Weltpolizei oder inoffiziellen Weltregierung – welchen Namen wir dieser Instanz auch geben. Unsere spontane Reaktion besteht zwar darin, dass wir uns solcher Bevormundung zuerst einmal widersetzen, weil unser Schicksal nicht mehr von uns selbst, sondern über unsere Köpfe hinweg von anderen bestimmt wird. Aber wir selbst – und mit uns alle anderen Staaten -, haben uns in eine Situation manövriert, in der uns nichts anderes als ein solcher Weltpolizist vor uns selbst zu retten vermag.

Denn die Welt, wie sie früher einmal bestand – und manchen im Rückblick vielleicht um vieles glücklicher erscheint – existiert schon längst nicht mehr. Noch vor zweihundert Jahren hätten die meisten Nationen eine Chinesische Mauer um ihr Territorium aufrichten können, um in völliger Isolierung von allen übrigen zu leben. Anders gesagt, hätten sie weitgehend oder auch völlig autark in uneingeschränkter Souveränität in ihrem je eigenen Gebiet existieren können, ohne sich um den Rest der Welt zu kümmern. Für einige abgeschiedene Inseln im Pazifik bestanden solche Verhältnisse noch bis ins vergangene Jahrhundert.

Doch das hat sich in kurzer Zeit grundlegend geändert

Das Leben in Deutschland, Frankreich, den USA oder China, ja selbst auf Neuguinea oder Grönland würde völlig zusammenbrechen, wenn nicht Tag für Tag Ströme von Öl, von Mineralien oder auch Fertigwaren die Grenze passieren. Ohne diese Zufuhr würden in Deutschland und Österreich die Lichter ausgehen, der Verkehr stehen bleiben, die Fabriken die Produktion einstellen, die Bevölkerung schlagartig verelenden. Allenfalls wäre das rohstoffreiche Russland zur Not in der Lage, sich nach außen hin abzuschotten, aber seinen gegenwärtigen – immer noch vergleichsweise niedrigen – Lebensstandard vermag es nur aufrechtzuerhalten, indem es seine Rohstoffe gegen Fertigprodukte aus dem Ausland verkauft. In ihrem heutigen Ausmaß besteht diese weltweite gegenseitige Abhängigkeit erst seit etwa einem Jahrhundert, aber sie ist kaum mehr rückgängig zu machen, es sei denn wir würden uns mit einem Bruchteil unseres heutigen Lebensstandards begnügen. Dabei geht es aber offensichtlich um Souveränität. In deren mehr oder weniger großem Verzicht besteht die eigentliche Wirkung dieser weltweiten Verflechtung, denn jeder Staat hat sich dadurch von dem guten Willen anderer abhängig gemacht, und zwar nicht nur im Hinblick auf importierte Ressourcen und exportierte Waren, sondern ebenso im Hinblick auf die bei ihrer Herstellung erzeugten Gifte. Die klimazerstörenden Schadstoffe, welche die Verbrennung von Kohle und Öl bei uns oder in China erzeugt, hält sich nicht an nationale Grenzen, sondern verbreitet sich über den Globus, der Einsatz von Nuklearwaffen durch die Supermächten löscht nicht nur in diesen selbst sämtliches Leben aus, sondern ebenso in der übrigen Welt. Wir bestehen auf der Souveränität im eigenen Lebensraum und verschließen bemüht die Augen vor der unabweisbaren Einsicht, dass wir selbst diese längst in eine Illusion verkehrten.

Ja, eine Welt, wo jeder noch Herr im eigenen Hause war, hätte eine schönere Welt sein können (ob sie es wirklich war, ist eine andere Frage). Aber diese Welt gibt es nicht mehr. Aus diesem Grunde ist nicht nur der Zusammenschluss der europäischen Staaten in der EU eine Notwendigkeit, wenn unsere Stimme in der Welt überhaupt noch gehört werden soll, sondern darüber hinaus ist sogar noch ein weiterer Verzicht von uns gefordert. Leviathan, die kommende Weltregierung, muss uns daran hindern, die Umwelt, den Globus oder sogar die eigene Spezies zu vernichten.

Wüssten wir nicht

dass einige der größten Köpfe die gleiche Ansicht mit größtem Nachdruck vertreten haben – oben war schon von Immanuel Kant, H. G. Wells, Arnold Toynbee, Bertrand Russell, Raymond Aron und Albert Einstein die Rede –, dann könnte uns dieser Ausblick als zu gewagt erscheinen, zu weit hergeholt. Vor allem aber fühlen wir uns durch Leviathan ja zunächst einmal bedroht. Da ziehen es viele begreiflicherweise vor, eher die Augen vor den uns bedrohenden tödlichen Gefahren zu verschließen als sich mit einem derartigen Untier abzufinden.

Doch diese Aussicht haben wir uns selbst eingebrockt. Damit die derzeit etwa zweihundert Staaten auf dem Planeten die eigene Souveränität nicht dazu missbrauchen, das Überleben der Art zu gefährden, müssen sie einen Teil ihrer Souveränität an eine Instanz abtreten, die sie genau davor bewahrt. Eben dies haben die zitierten Autoritäten als unumgängliche Maßnahme gefordert. Dann erhebt sich allerdings gleich die weitere Frage, die sich auch schon für die EU, den Zusammenschluss der Nationen Europas, stellte: Wie muss eine übernationale Instanz beschaffen sein, damit sie erträglich wird?

In Europa (aber bisher noch nicht in den USA)

sind die Bürger durchaus bereit, auf einen Teil ihrer Freiheit zu verzichten, z. B. darauf, Pistolen im Gürtel bei sich zu tragen. Auch die persönliche Blutrache ist bei uns verboten, obwohl auch dies eine Einschränkung der individuellen Freiheit bedeutet. Warum setzt sich bei uns niemand gegen diesen Freiheitsverlust zur Wehr? Offenbar wird er von kaum jemandem in Deutschland oder Frankreich als ein solcher empfunden, weil der im Gegenzug erzielte Gewinn so viel größer ist. Solange es jedem anheimgestellt blieb, sich friedlich zu verhalten oder auch nicht, war derjenige im Vorteil, der an der Bewaffnung festhielt und die Justiz in die eigenen Hände nahm, denn er musste stets damit rechnen, dass die anderen ihm gegenüber nicht anders verfuhren. In dem Augenblick, wo alle auf Pistolen, Gewehre oder die Blutrache freiwillig verzichten oder verzichten müssen, weil eine starke Regierung sie dazu zwingt, ergibt sich für den einzelnen nicht nur kein Nachteil, sondern alle fühlen sich im Gegenteil von einem großen Übel erlöst. Gewiss, Leviathan zeigt im ersten Moment seine Zähne, im zweiten aber befreit er die Menschen von einem unerträglichen Übel. Denn erst der Verzicht auf die Freiheit, sich gegenseitig zu schaden, führt zu jener großartigen Freiheit, die darin besteht, sich gegenseitig zu nutzen. Wechselseitiges Vertrauen kann nur entstehen, wenn der Mensch nicht länger ein Wolf für seine Mitmenschen ist. Im 21. Jahrhundert darf es den Staaten nicht länger erlaubt sein, nach Belieben aufzurüsten, nach Belieben Ressourcen zu verprassen, nach Belieben die Umwelt zu vergiften. Diese negative Freiheit muss ihnen genommen werden, damit ihnen die positive Freiheit erhalten bleibt, in einer Welt des Friedens zu leben.

Geschichte hat einen Sinn

nicht die der Natur, wo wir ihn nicht erkennen, sondern die Geschichte des Menschen, wo er die Stimme jenes Gewissens ist, an dem alle Menschen partizipieren. Im 21. Jahrhundert aber hat Geschichte noch dazu ein Ziel, das wir erreichen, einen Zweck, den wir verwirklichen müssen, nämlich dass wir den Planeten und dass wir uns selbst vor uns selber schützen. 

Nächster Artikel: Die Freiheit, die wir meinen.

Diese Gedanken werden in zwei Büchern erörtert:

Reflections on Meaning and Purpose in History – The Destiny of Mankind in the 21st Century“.

Creative Reason – A Synthetic Philosophy of Freedom in Nature and Man (Homage to William James)“.