Was geht die EU uns noch an?

Es knirscht hörbar im Gebälk der Europäischen Union. Die Zahl der von ihrem Nutzen überzeugten Bürger nimmt ab. Ich habe immer wieder die Auffassung vertreten, dass es für die Zukunft die schwerste Niederlage Europas wäre, wenn dieses Vereinigungsprojekt scheitern sollte. Eine solche Auffassung lässt sich gegenüber skeptischen Bürgern aber nur dann glaubhaft vertreten, wenn man die jetzigen Defekte der Union unbeschönigt zur Sprache bringt und Vorschläge wagt, wie sie durch eine andere Politik noch zu retten wäre. Dabei sollte man sich jedoch eingestehen, dass es dazu wirklich grundlegender Änderungen bedarf. Denn die Auflösungserscheinungen sind inzwischen unübersehbar. Anlässlich der Abstimmungen zur neuen Verfassung haben die Franzosen und Niederländer ihr Misstrauen gegenüber der EU unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Die EU ist bei den Bürgern nicht länger beliebt. In Österreich spricht sich die FPÖ geradezu für einen Austritt aus der Gemeinschaft aus. Wie konnte es dazu kommen?

I Gründe für die Unzufriedenheit mit der EU

1 Das vergessene Friedensprojekt

Die europäische Gemeinschaft war für die ältere Generation die Verwirklichung eines bis dahin für unrealisierbar gehaltenen Traums. Sie fügte Erbfeinde, einander bis dahin stets misstrauisch belauernde Nationen, zu einer Einheit zusammen. Nie wieder sollte es Krieg in Europa und zwischen den Europäern geben. Diese Idee allein war so mächtig und für manche auch so begeisternd, dass die Gründung einer Gemeinschaft in den Nachkriegsjahren eine zündende Idee bleiben konnte. Sie konnte es nicht lange bleiben, denn bald wuchs eine neue Generation heran, die nur den Frieden kannte. Das ist das eine.

2 Ein strauchelnder Zahlmeister

Die zweite Voraussetzung, die nicht länger besteht, ist ein reiches und mit Arbeitsplätzen für jedermann gesegnetes Deutschland. Die stärkste Wirtschaftsmacht war lange Zeit der verlässliche Zahlmeister Europas. Deutschland gab gern von seinem Reichtum an andere ab. Darin lag auch eine Wiedergutmachung für die von diesem Land verursachten Verheerungen des letzten Krieges. Doch etwa seit Beginn der neunziger Jahre hat Deutschland selbst mit großen ökonomischen Problemen zu kämpfen. Es schränkte seine Ausgaben für andere Unionsmitglieder entsprechend ein. Der hohe finanzielle Nutzen, mit dem alte Beitrittsländer wie Frankreich aufgrund der agrarischen Ausgleichszahlungen und jüngere Beitrittsländer wie Irland und Spanien bis dahin rechnen konnten, verringert sich allmählich. Auch die anderen Nettozahler schnüren die Beutel zu. Angesichts eines zunehmenden Wettbewerbs der europäischen Länder untereinander stößt der Transfer von den reichen zu den weniger reichen Ländern auf wachsenden Widerstand. Die Solidarität in der EU ist im Schwinden.

3 Der Alptraum der Bürokratie

Andererseits wird die Brüsseler Bürokratie von vielen als ein Moloch wahrgenommen, der die Entscheidungskompetenzen im eigenen Land schrittweise reduziert. »Die sogenannten Volksvertreter haben immer weniger zu sagen. Seit Jahren wandern Kompetenzen für Gesetze und Verordnungen nach Brüssel. 80 Prozent aller Wirtschaftsentscheidungen«, schätzt der Ex-Verfassungsrichter Paul Kirchhof, »fallen inzwischen in der EU-Kommission.«

Wenn diese Eingriffe in die nationale und lokale Eigenständigkeit von einer Erhöhung des allgemeinen Wohlstands begleitet wären, würden die Bürger dem Freiheitsverlust vermutlich keine Tränen nachweinen. So aber können sie darin nichts anderes als eine zusätzliche Reglementierung und Uniformierung ihres Lebens sehen.

4 Ein beargwöhnter Wettbewerb

Deutsche und Franzosen vermögen nicht einzusehen, warum Länder wie Tschechien, die Slowakei oder Polen mit den Geldern der Union gefördert werden, und dadurch eine industrielle Aufrüstung dieser Länder erfolgt, die dann zum Abbau von Arbeitsplätzen in ihren eigenen Ländern führt. In der Diskussion der Franzosen über die neue Verfassung spielte dieser Gesichtspunkt eine bedeutende Rolle. Die Franzosen wandten sich gegen einen Neoliberalismus, der ihre Wirtschaft aushöhlt.

5 Eine nicht verstandene Erweiterungspolitik

Bis in die neunziger Jahre wurde die Erweiterung der EU von der Bevölkerungsmehrheit der Mitgliedsländer gebilligt. Es schien nur vernünftig, alle Nationen Europas allmählich in den Kreis der EU aufzunehmen. Dies führte zu einer Art Erweiterungseuphorie unter Politikern. Erweiterung an sich schien Erfolg zu bringen und sinnvoll zu sein. So kam es bald auch zu Erweiterungsvorschlägen über die akzeptierten geographischen Grenzen hinaus. Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wurden und werden von vielen Menschen in der EU abgelehnt. Mit Recht, wenn man davon ausgeht, dass die Union sich nicht beliebig ausdehnen kann, vor allem dann nicht, wenn sie an dieser Überdehnung anschließend zu zerfallen droht.

6 Ein Projekt von oben

Die Europäische Vereinigung war die Vision weit blickender und friedenswilliger Politiker. Erst nach und nach wurden die Völker Europas für diese Vision gewonnen. Mit anderen Worten, die Vereinigung entsprang nicht einem demokratischen Impuls von unten. Sie wurde nicht von den betroffenen Bevölkerungen selbst initiiert. Das war ein Geburtsfehler, aber es hätte nicht dabei bleiben müssen, wäre die Entwicklung dann schnell genug in demokratische Bahnen eingemündet. Das ist jedoch nicht geschehen. Es blieb bei der von oben verordneten Vereinigung.

Das Defizit an demokratischer Mitwirkung äußerte sich auf charakteristische Weise. Auf der höchsten Ebene der nationalen Regierungen wurde die Vereinigung zwar vorangetrieben, aber dort fand sie nicht statt. Wäre die Vereinigung demokratisch von unten erfolgt, statt von oben verordnet zu werden, hätte sich Europa nach Art der Vereinigten Staaten einen gemeinsamen Präsidenten (oder Premierminister), einen gemeinsamen Außen- und Wirtschaftsminister gewählt. Es hätte seine Einheit dadurch manifestieren müssen, dass es nach außen mit einer Stimme spricht.

Stattdessen pochten die nationalen Machthaber eifersüchtig auf ihre Privilegien. Sie traten und treten für die Einheit ein – aber bei ihren Untertanen, nicht bei sich selbst. Dementsprechend setzten sie Daumenschrauben bei der Bevölkerung an. Um diese zur Einheit zu trimmen, wurde die europäische Kommission ins Leben gerufen, die mit dem ganzen Elan einer Mammutbehörde die systematische Uniformierung und Reglementierung der Lebensbedingungen initiierte. Landwirtschaft, Rechtsprechung, die Vielfalt der Produktion, all dies wurde durch die Brüsseler Bürokratie  in sämtlichen Mitgliedsstaaten zunehmend eingeebnet. Unten wurde gleichgeschaltet, oben blieb alles beim Alten. Jeder Außen- und Wirtschaftsminister hatte und hat auch weiterhin das Recht, seine eigene Politik zu machen. Die Freiheit der Bevölkerung wurde durch eine Fülle von transnationalen Verordnungen eingeschränkt, eine Einschränkung der eigenen Macht aber ließen sich die nationalen Machthaber nicht gefallen. Die Gleichmacherei diente vor allem der Industrie, den europäischen Gedanken hat sie nicht befördert.

So geriet das europäische Projekt mehr und mehr in eine Schieflage. Was im Sinne einer Einheit nach außen der Vereinigung bedurfte, blieb unvereint; jene  erstaunliche Vielfalt aber, der Europa seine Größe, seinen Ruhm und seinen Reichtum verdankt, wurde auf ein Prokrustesbett gespannt.

 

II Auflösungstendenzen

Inzwischen kommen nicht nur einer wachsenden Zahl von Bürgern Bedenken gegen den weiteren Ausbau der Union, sondern in mehr oder weniger versteckter Form wird diese nun auch schon von den Politiker selbst geschwächt. Dafür häufen sich die Signale.

1 Verletzung der selbstgeschaffenen ökonomischen Regeln

a) Deutschland hatte auf den strengen Kriterien von Maastricht bestanden, deutsche Politiker waren die ersten, sich darüber hinwegzusetzen.

b) Frankreich unternimmt immer neue Vorstöße, um eine politische Kontrolle über die EZB zu gewinnen.

c) Die Regierungen Spaniens und Frankreichs haben die Aufkäufe nationaler Unternehmen durch europäische Bieter verhindert und damit EU-Recht verletzt.

d) Bei einer ernsthaften Rezession könnten jene Kräfte in Italien die Überhand gewinnen, die den Austritt aus dem Euro-Währungsverband verlangen.

2 Entwertung der EU zur Freihandelszone

Nicolas Sarkozy, aller Voraussicht nach nächster französischer Präsident, hat vorgeschlagen, eine verkürzte EU-Fassung vorzulegen, in welcher ein gemeinsamer Außenminister ganz gestrichen wird. Das würde eine Rückentwicklung der Union zur bloßen Freihandelszone bedeuten, wie sie England von jeher wollte. Das Vereinigte Königreich hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass es ihm nur darum geht die ökonomischen Vorteile der Union abzuschöpfen. In der Befürwortung des türkischen Beitritts sieht es eine Chance, jeden Fortschritt in der politischen Vereinigung zu verhindern. Wohl um seine enge Verbindung zu den Vereinigten Staaten aufrechtzuerhalten, betreibt England die Zersplitterung Europas. Der künftige Premier, Gordon Brown, hat keinen Zweifel daran gelassen, dass er keine engere Verbindung wünscht, auch keinen Beitritt seines Landes zur Eurozone.

3 Fortwährende Uneinigkeit auf Regierungsebene

Das zuvor genannte Problem der »Vereinigung von oben« sorgte von Anfang an dafür, dass die Nationalregierungen eifersüchtig auf ihren Machtprärogativen beharren. Diese Tendenz hat sich mit abnehmendem Nutzen der EU nur noch weiter verstärkt. Sie manifestiert sich in chronischer Uneinigkeit der europäischen Regierungen, wenn es um gemeinsames Handeln geht. Anlässlich des Irakkriegs von 2003 stellte sich Polen bewusst gegen die Mehrheit der alten Mitgliedsstaaten. Inzwischen setzt jeder Entschluss zu gemeinsamem Handeln ein zähes Feilschen und Ringen voraus. »Seine 24 Kollegen in der Union betrieben ein „intrigantes Spiel“ und bereiteten sich auf die gemeinsamen Ministerratstreffen vor wie auf „Verhandlungen mit potentiell feindlich gesinnten Ländern“ wütete der finnische Außenminister und amtierende Ratspräsident Erkki Tuomioja /anlässlich der Beratungen zur Entsendung von europäischen Hilfstruppen in den Libanon/«. Wie wenig sich die EU überhaupt noch als Einheit versteht, wird an ihrem Verhalten nach außen erkennbar. Jedes Dokument zum Nahostkonflikt sei „innerhalb einer Stunde in Tel Aviv und vermutlich auch Washington und Moskau bekannt“ (Spiegel 35/06; S. 32).

 

III Welche Zukunft hat die EU?

Eine sehr ungewisse, wenn die Union ihren Mitgliedern keine greifbaren ökonomischen Vorteile mehr bietet, sondern nur eine Einschränkung ihrer Souveränität. Die künstliche Verklammerung durch die Maßnahmen der Brüsseler Bürokratie wird sie in diesem Fall nicht vor dem Zerfall bewahren.

Deutsche und Franzosen können keinen Gewinn darin erblicken, Nettozahler für schwächere Länder wie Polen, Tschechien oder die Slowakei zu sein, wenn diese dann im Gegenzug ihre Arbeitsplätze bedrohen.

Für Spanien oder Portugal ist es andererseits kein Vorteil, wenn die für sie bestimmten Transferzahlungen der reichen Länder immer geringer ausfallen und die bei ihnen gerade errichteten Industrien nach kurzer Zeit wieder verlagert werden, weil die jeweils neuesten Mitgliedsländer eine noch geringere Besteuerung und noch geringere Löhne bieten.

Andererseits scheint ein unabhängiger Staat wie die Schweiz zu beweisen, dass es sich außerhalb der EU sehr bequem existieren lässt. Die Schweiz kann ihren Bürgern einen sehr hohen Lebensstandard bieten, im Verkehrswesen eine vorbildhafte Umweltpolitik betreiben und mitten im Herzen Europas ihre Souveränität scheinbar ungeschmälert bewahren. Kein Wunder, dass dieses Beispiel auf andere Länder (Österreich zum Beispiel) verführerisch wirken könnte. Die wenigsten sind sich bewusst, dass das Beispiel der Schweiz irreführt. Die Schweiz profitiert von der Stärke des sie umgebenden Wirtschaftsblocks der EU. In diesem Sinn ist sie ein Trittbrettfahrer.

Sollte die bestehende Uneinigkeit der nationalen Regierungen die EU ganz in den Rang einer bloßen Freihandelszone zurückfallen lassen, so wäre an ein politisch vereintes Europa für die nähere Zukunft nicht mehr zu denken. Europa als ernstzunehmender politischer Faktor dürfte dann von der Landkarte verschwinden. Es deutet aber alles daraufhin, dass es auch als ökonomische Großmacht abdanken wird.

 

IV Welche Zukunft sollte die EU besitzen?

1) Sie sollte ökonomisch und schließlich auch politisch einig nach außen sprechen und handeln, aber im Inneren die eigene Vielfalt so weit wie möglich bewahren.

a) Die Einheit wurde zunächst ökonomisch gesucht und könnte dort auch so hergestellt werden, dass es für jeden Mitgliedstaat einen weit größeren Vorteil bedeutet, der EU anzugehören als sich außerhalb von ihr zu befinden. Das setzt allerdings zwingend voraus, dass die innere Liberalisierung Europas an seinen Grenzen endet. Man darf sie nicht auf gleiche Art nach außen hin praktizieren. Eine reiche EU kann durchaus verkraften, dass neue Mitgliedsländer mit niedrigen Löhnen und Steuern einen Teil der in den alten Ländern vorhandenen produktiven Kapazitäten auf ihr eigenes Staatsgebiet umlenken. Dadurch wird die gesamte industrielle Kapazität Europas nicht vermindert. Es kommt aber zu einer für die Zukunft gleichmäßigeren Einkommensverteilung innerhalb der Grenzen der Union. Genau das will man auf diese Weise ja auch erreichen. Die innere Liberalisierung ist daher vernünftig.

Sie würde auch wenig Protest erregen, wenn Europa diese Art Liberalisierung nicht zur gleichen Zeit auf die ganze Welt ausdehnen würde und dadurch eine Konkurrenz von unschlagbaren Billiganbietern zulässt. Damit hebt die Union den ökonomischen Schutz für die eigenen Mitglieder und den Vorteil der Mitgliedschaft selbst wieder auf. Sie lässt es zu, dass die industrielle Kapazität innerhalb ihres Gebietes von außen schrittweise ausgedünnt und vernichtet wird. Das logische Ende ist eine Basarökonomie, in der nur noch wenige Spitzenindustrien dem Wettbewerb mit den technologisch in Windeseile aufstrebenden asiatischen Konkurrenten gewachsen sind, während die breite industrielle Basis unter deren Attacken zugrunde geht. Die Ausdünnung der industriellen Basis im Namen eines Neoliberalismus, welcher nur eine Minderheit von Anlegern begünstigt aber der Bevölkerungsmehrheit eine jetzt schon gewaltige Arbeitslosigkeit und kommendes Elend beschert, war ein wesentliches Argument für jenen Protest in Frankreich, der zur Ablehnung der neuen Verfassung führte. Wenn Europa seine Mitglieder nicht gegen diese Attacken von außen schützt (die allerdings von innen erst in Gang gesetzt worden sind, vgl. Energiewende), werden seine Mitglieder immer weniger Sinn in der Union sehen können.

b) Die Einheit muss schließlich auch politisch hergestellt werden, andernfalls wird der EU wohl keine längere Dauer beschieden sein. Es ist verständlich, dass es der herrschenden Elite der einzelnen Mitgliedsländer, also vor allem den Regierungen Frankreichs, Italiens, Englands, Deutschlands etc. überaus schwer fällt, ihre Machtprivilegien abzugeben. Frankreichs Chirac, Englands Blair und Deutschlands Schröder und Merkel fühlten und fühlen sich in der Rolle als Weltpolitiker viel zu wohl, um sich daraus kampflos verabschieden zu wollen. Aus diesem Grund haben ja bereits ihre Vorgänger beschlossen, mit der Vereinigung Europas nicht oben anzusetzen, sondern unten, nämlich mit Hilfe eines in Brüssel ansässigen Verwaltungsapparats. Nicht die nationalen Regierungen sollen vereinheitlicht werden, sondern die Bürger. Die Lebensumstände in Frankreich, Deutschland und den übrigen Mitgliedsländern werden bürokratisch durch Hunderttausende von Vorschriften vor allem über Artikel des täglichen Konsums, der Rechtspflege etc. mehr und mehr angeglichen. Das ist ein Schraubstock, in den man die wehrlosen Bürger spannt (denn eine demokratische Rechtfertigung ist dafür erst in Ansätzen vorhanden).

Dieser Schraubstock, der die Vielfalt Europas planiert und in erster Linie die „Untertanen“ der nationalen „Landesfürsten“ betrifft, wird an die Stelle der sinnvollen Vereinigung auf Parlaments- und Regierungsebene gesetzt, eine Vereinigung, die sich die um ihre Macht bangenden Eliten nicht zumuten wollen. Sinnvoll – und für ein wirtschaftlich wie politisch starkes Europa unerlässlich – ist eine gemeinsame Stimme nach außen. Ein gemeinsamer Außenminister, ein gemeinsamer Finanz-, Wirtschafts- und Verteidigungsminister, kurz eine gemeinsame Regierung, ernannt von einem gemeinsamen Parlament. Dieses sollte aber auch nur für die allen gemeinsamen Probleme zuständig sein. Entscheidungen, die vor Ort gefällt werden können, müssen weiterhin in die Zuständigkeit der einzelnen Länder fallen. Nur so wird tätige Demokratie vor Ort ermöglicht. Die Vielfalt der europäischen Nationen, die ihr Erbe und ihren Reichtum bildet, bleibt in diesem Fall ungefährdet. Die Angleichung der Lebensbedingungen zwischen den Völkern Europas wird sich dann, soweit sie notwendig oder wünschenswert ist, in einem wirklich demokratischen Prozess mit der Zeit ganz von selbst einstellen.

Ohne die Verwirklichung dieser Vision eines ökonomisch und politisch geeinten Europas ist dessen Zukunft ungewiss. Gegen die aufsteigenden Giganten Asiens – ökonomische, politische und demographische Riesenreiche – werden sich seine zersplitterten Völker nicht behaupten können. Wenn die Europäer untereinander nicht wieder die alten Feindschaften schüren wollen – sie sind bereits auf dem Wege dahin – dann müssen sie Europa in einem neuen und für die Bürger begreifbaren Sinn konzipieren.