Warum wollte eine Rezensentin nicht namentlich erscheinen?

Eine Rezensentin des Piper Verlags rief dessen Rechtsabteilung zur Hilfe, um die Nennung ihres Namens auf meiner Website unter der genannten Beurteilung meines Manuskripts zu verhindern. Frau Veronika Heid aus dieser Abteilung drohte mir mit einem Prozess.

Hierauf erteilte ich folgende Antwort an die Rezensentin – hier nur mit ihren Initialen genannt – sowie an Frau Heid:

Sehr geehrte Frau J. M.,

mir wurde geraten, die Richtigstellung, die ich an Frau Heid abgeschickt habe auch Ihnen zukommen zu lassen, was ich hiermit tue.

Ich Nachhinein bedaure ich, dass ich mich in meinem letzten Schreiben an Sie – genervt von Ihrem beharrlichen Drängen – dazu hinreißen ließ, in einen spöttischen Ton zu verfallen, das Problem, um das es geht – sich gegen jeden Versuch zu wehren, der auf eine ungerechtfertigte Unterdrückung geistiger Freiheit hinausläuft –, ist viel zu gewichtig, als dass man sich seiner mit Spott entledigen darf. Dafür möchte ich mich deshalb entschuldigen.

Mit freundlichen Grüßen

Gero Jenner

 

Sehr geehrte Frau Heid,

dass Sie sich an die Seite der Frau J. M. stellen, ehrt Sie zwar, aber ich halte Ihre Argumentation für gefährlich, denn sie schränkt Rechte ein, die gerade in der deutschen Geschichte oft mit Füßen getreten wurden!

Keine Rede kann davon sein, dass ich die private Sphäre der Frau M. verletze. Im Gegenteil würdige ich ihre Stellungnahme, weil sie mein Manuskript auf eine überraschende und für mich eher schmeichelhafte Weise beurteilt. Wer kann es schon als Tadel empfinden, dass man seinen Stil mit dem von Kafka vergleicht? In diesem Zusammenhang kontrastiere ich ihre Beurteilung mit der zweier weiterer Rezensenten, um einem interessierten Publikum zu zeigen, welche total abweichenden Meinungen ein und dasselbe Manuskript bei verschiedenen Gutachtern auszulösen vermag. Ist das nicht ein schönes Lehrstück in Meinungsvielfalt – und natürlich auch Subjektivität der Meinungen? Nachdenklichen Lesern muss das gefallen.

Aber sage ich etwas Abträgliches über Frau M.? Ganz gewiss nicht, im Gegenteil hebe ich ihre Stellungnahme als besonders bemerkenswert hervor. Welchen Grund könnte sie haben, damit unzufrieden zu sein?

Gewiss hat sie einen Grund, ihr Protest ist viel elementarer. Wie sie selbst mir schrieb, wünscht sie ganz einfach nicht, auf meiner Website aufzuscheinen. Dieser Wunsch scheint für sie auszureichen.

Aber reicht das wirklich? Üblicherweise trifft man derartige Wünsche bei Mächtigen an, die es nicht lieben, wenn man über sie redet. In Diktaturen pflegen sie dies denn auch mit allen Mitteln der Repression zu verhindern. Leider werden in einigen Demokratien – glücklicherweise bisher eher selten in Deutschland – andere Mittel zur Anwendung gebracht, die freilich ebenso wirksam sein können. An die Stelle der politischen tritt die finanzielle Macht, man prozessiert Opfer in den Bankrott, um sie zum Schweigen zu bringen. Macht ist reich, Geist sehr oft arm – ein ungleiches Verhältnis.

Verlage sind Horte der geistigen Freiheit – oder sollten es zumindest sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein so renommierter, ein so vorbildlicher Verlag wie Piper sich dazu hergeben könnten, sich als Feind solcher Freiheit zu betätigen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Frau M. oder Sie, sehr geehrte Frau Heid, das wirklich billigen könnten.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Gero Jenner