Jenner – Linguisten (Heger, Helbig, Weinrich)

811028:

Brief von Gero Jenner811028

Brief von Prof. Gerhard Helbig81115

Brief von Gero Jenner, undatiert

Brief von Prof. Gerhard Helbig891105

900215:

Brief von Prof. Harald Weinrich

Die Kritik von Prof. Harald Weinrich ist wie jede gute Kritik zugleich um Verständnis bemüht, macht aber – wie ebenfalls jede ernsthafte Kritik – kein Hehl aus Meinungsverschiedenheiten. Ich gebe Herrn Weinrich völlig recht, wenn er mehrfach andeutet, dass ich es offenbar nicht für nötig befunden habe, mich mit Teilen der Literatur auseinanderzusetzen, die ihm wichtig erscheinen. Ich fürchte, dass ich damals so ego-bezogen war, dass ich auf seinen ausführlichen Brief nicht einmal eingegangen bin – vermutlich fühlte ich mich zutiefst missverstanden.

Tatsächlich war ich nach der Bekanntschaft mit Chomskys generativer Grammatik – die ich keineswegs für Augenwischerei halte, nur für logisch verfehlt (ein Unterschied, denn das eine wäre Betrug, das andere ist ein Irrtum) – geradezu versessen darauf, meinen Standpunkt argumentativ zu begründen. Da dieser grundsätzlich vom herrschenden Paradigma abweicht, indem er Form und Bedeutung „rein“ definiert und gegenüberstellt (siehe: Meaning and Form), glaubte ich mir die Vernachlässigung manch anderer Werke erlauben zu können. Allerdings hatte ich dann auch die zu erwartenden Folgen in Kauf zu nehmen. Aus der deutschen Linguistik hat man mich sozusagen hinausgeekelt. Selbst der diesbezügliche Eintrag unter Wikipedia wurde gestrichen. Zwar habe ich einen Band „Principles of Language“ geschrieben und einige Vorarbeiten, aber als Linguist existiere ich nicht.

Herr Weinrich gesteht mir einerseits zu, dass die Trennung von Form und Bedeutung sinnvoll sei, will sie dann aber doch nicht in reiner Form akzeptieren. Seine Einwände gegen eine reine Struktur der Bedeutung halte ich für verfehlt, auch wenn er ganz richtig sieht, dass ich auf eine Tradition zurückgreife, die bis zu Aristoteles zurückreicht. Ich greife nur zwei der drei von ihm genannten Beispiel auf. Einerseits spricht er sich ironisch darüber aus, dass ich in der Gegenüberstellung von Possessor und Possessum nun auch noch den Kapitalismus in die Linguistik einführen wolle. Nein, Menschen haben nur überall auf der Welt so wie sie zwischen ich und du einen Unterschied machten, auch Dinge daraufhin unterschieden, ob sie zu mir oder dir gehören. Mehr soll damit nicht gesagt sein. Zu Recht bemerkt Weinrich, zweitens, dass es „Vergangenheit“ als allgemein-sprachliche Kategorie nicht gebe. Nein, als eine Tempusbezeichnung gewiss nicht! Sehr wohl aber mussten Menschen immer zwischen Ereignissen unterscheiden, die sich in diesem Augenblick oder gestern oder vor einem Jahr abspielten. Sie brauchen, um Vergangenheit zu bezeichnen kein Tempus „Vergangenheit“, es genügt, wenn sie „gestern“ oder „vor einem Jahr“ ausdrücken können. Das aber ist sicher ein allgemein-sprachlicher Tatbestand – und damit ist es eben auch die Unterscheidung von Zeiten. /Der Hinweis auf Kant ist fehl am Platze, denn die logischen Kategorien einer philosophischen Welterklärung sind andere als die linguistischen einer Allgemeinen Grammatik. Das zeigt sich zum Beispiel am Beispiel der Possession. Semantische Beziehungen wie „Dem Mann gehört das Haus; der Mond steht senkrecht über dem See; der Teich befindet sich südlich des Bergs,“ werden in allen Sprachen, die ich kenne auf deutliche verschiedene Art formal realisiert. Nur für das erste Beispiel gibt es eine Abkürzung von der Art „Das Haus des Mannes; the man’s House; kono hito no ie; zhe ge ren de jia.“ Die semantische Beziehung der Possession ist also, wie ich es ausdrücke, formal von höchster Relevanz./

/…/ = später hinzugefügt

Nur vier Jahre später – 1994 – sollte ein Buch erscheinen, dass mir in allen Punkten recht gibt. Siehe meinen Brief an Steven Pinker.

910120:

Brief von Prof. Klaus Heger910120