Die Causa Hörmann-Pregetter – Karl-Theodor zu Guttenberg lässt grüßen

(auch erschienen in fbkfinanzwirtschaft)

Die beiden Wiener Autoren, Franz Hörmann, seines Zeichens Professor für Revisionswesen an der Wirtschaftsuniversität, und Otmar Pregetter, ein Unternehmensberater und Statistiker, haben ein in jeder Hinsicht herausforderndes Buch geschrieben: „Das Ende des Geldes“. Das ist weitgehend eine Anthologie des Bösen. Auf über zweihundert Seiten zählen die Autoren die Untaten, Konstruktionsfehler bis hin zu den Verbrechen des Kapitalismus auf. Kritik ist ihr eigentliches Element, Kritik, die sich so ziemlich gegen alles richtet, vor allem gegen alle, die nicht ihrer Meinung sind – und dazu gehört unter anderem die ganze Wissenschaft, die sie deshalb auch mit dem Prädikat „Pseudowissenschaft“ abqualifizieren.

Leider hat das Buch einen ernst zu nehmenden Fehler. Die beiden Wissenschaftler haben sich, ohne das entsprechend anzumerken, am geistigen Eigentum anderer bedient. Nahezu sämtliche (vielleicht sogar alle) wesentlichen Thesen, die das logische Grundgerüst ihrer Arbeit bilden, stammen aus fremder Feder. Diese Leitthesen zähle ich im Folgenden auf, wobei ich in Klammern die Seiten nenne, wo diese Thesen so hingestellt werden, als wären sie das Ergebnis ihres eigenen Erkenntnisstrebens.

1) 97% des Geldes werden von den Geschäftsbanken geschaffen. Nur drei Prozent von der Notenbank (55, 128). Auf Seite 55 sind es 98%.

2) Die Geldschöpfung der Geschäftsbanken geschieht aus dem Nichts – durch einen bloßen Buchungsvorgang (Bilanzverlängerung). Es wird nicht durch die Einlagen von Sparern erzeugt (106, 116, 118, 119, 145, 147, 156). Die einzige Zutat zu der ungenannten Quelle besteht darin, dass Hörmann ab Seite 147 die Doppelte Buchführung zur Absicherung dieser These verwendet (dazu mehr in Teil II).

3) Weil Geld aus dem Nichts geschöpft wird, ist es prinzipiell wertlos, denn es weist ja keine Deckung auf (106, 127, 157).

4) Logische Folge von These 3: Sparen ist sinnlos, da es nicht zur Ermöglichung von Krediten dient. Kredite entstehen ohne Ersparnisbildung.

5) Wir sind alle Sklaven der Banken.

6) Wir müssen die Macht der Banken brechen, dann wird eine paradiesische Zeit anbrechen (24).

7) Das Beispiel der Goldschmiede wird als Illustration für das Verfahren verwendet, ungedeckte Schuldscheine auszustellen (103).

8) Staatsschuldscheine dienen der Absicherung des von der Notenbank erzeugten Geldes (118).

9) Die Regierung könnte und soll das Gelddrucken übernehmen (138).

10) Die Geldmenge M3 schnellt in die Höhe, obwohl die Notenbank ihrerseits kaum neues Geld in die Wirtschaft pumpt. Die große Masse des restlichen Geldes kann daher nur von den Geschäftsbanken aus dem Nichts produziert worden sein. (57, 82).

11) Neues Geld muss dauernd in die Wirtschaft gepumpt werden, damit die von den Banken eingeforderten Zinsen bezahlt werden können (128).

12) Der Zins produziert Inflation (78).

13) Der Zinsfluss von Arm zu Reich. Grafik: Zinslasten/ Zinserträgen (79).

14) Alles Geld ist Schuldgeld (13, 69, 104, 123).

15) Zahlt man alle Schulden zurück, so verschwindet das Geld (13, 77).

16) Alles Wirtschaften ist ein Nullsummenspiel. Was der eine gewinnt, verliert der andere (20, 44, 88, 120, 160, 210).

Karl-Theodor von Guttenberg hat ganze Passagen ohne Quellangabe von Dritten übernommen. Hörmann und Pregetter gehen ähnlich, wenn auch noch leichtfertiger als Guttenberg vor: Die ersten 12 der insgesamt 16 Thesen haben sie einer einzigen Quelle entlehnt, nämlich einem Text von Ellen Hodgson Brown, die genau diese Gedanken auf einer am 3. Juli 2007 erschienenen Internetseite mit dem Titel „Dollar deception: how banks secretely create money“ als Zusammenfassung ihres Buches „Web of Debt“ vorstellt. Ellen Brown und ihr 2007 erschienenes Buch werden von den beiden Autoren nicht einmal im Literaturverzeichnis erwähnt.

Anders als Guttenberg bringen Hörmann und Pregetter Plagiatsdetektive allerdings selbst auf die Spur – und zwar aus bloßer Unachtsamkeit. Mit einem Verweis (122) auf die betreffende Internetseite wollen sie auf einen Prozess aufmerksam machen, mit dem sich ein gewisser Mr. Daly aus Minnesota gegen die Pfändung seines Hauses wehrte. Dadurch öffnen sie einem aufmerksamen Leser die Augen. Jeder, der dem Link nichtsahnend folgt und dann den Text von Ellen Brown durchliest, muss überrascht feststellen, dass hier über das Geld und seine vermeintlich teuflischen Wirkungen nahezu alles steht, was die Verfasser in ihrem Buch als geistiges Eigentum für sich reklamieren!

Die ersten elf Leitthesen des Buches sind Ellen Brown entnommen, These zwölf, wonach im Zinssystem das Geld von Arm zu Reich fließt, wird auf Seite 79 mit einer Grafik illustriert, die leicht abgeändert von Helmut Creutz „Das Geldsyndrom“ abgeschaut wurde, und zwar von Seite 288 der 4. Auflage 1997, bzw. von Seite 387 der 5. Neuausgabe von 2001. Creutz, der die Berechnung der Zinserträge und Zinsabflüsse für zehn Haushaltsgruppen überhaupt als erster durchgeführt hatte, wird weder zitiert noch sein Name im Literaturverzeichnis erwähnt. Stattdessen drückt Pregetter in aller Unverfrorenheit sein Copyrightzeichen auf die Grafik!

These vierzehn, wonach alles Geld angeblich auf einer Schuld beruht, wird ausnahmsweise korrekt behandelt. Die Autoren waren sich wohl bewusst, dass der Debitismus in Deutschland und Österreich unter Fachleuten nicht ganz unbekannt ist. Hier geben sie, wie es sich gehört, Paul C. Martin sowie Heinsohn und Steiger als Quelle an.

Bleiben die beiden letzten Thesen, nämlich 15, wonach Geld überhaupt verschwindet, wenn alle Schulden beglichen werden, und These 16, in der die Wirtschaft zum Nullsummenspiel deklariert wird. Vielleicht stammen diese Thesen von den Autoren selbst, man wird das nicht auszuschließen dürfen. Dennoch bleibt als ernüchterndes Fazit übrig, dass von insgesamt 16 Leitgedanken des Buches ganze 13 ohne Quellenangabe von anderen übernommen wurden.

Diesen Verstoß gegen geltende gute Sitten sollte man deutlich benennen. Denn Hörmann und Pregetter selbst sind alles andere als zimperlich, wenn es ihnen darum geht, andere schlecht oder ganz herunter zu machen. Nahezu alle bisherigen Wissenschaftler, die sich in irgendeiner Art mit dem Thema Wirtschaft beschäftigen, werden von den beiden Autoren als beschränkte Trottel – wenn nicht gar bösartige Täuscher – abqualifiziert – und das refrainartig von Anfang bis Ende des Buches.

Eine Mitteilung von Herrn Prof. Johannes Heinrichs (Berlin) gibt Gelegenheit zu einem Nachtrag. Von ihm erhalte ich den Hinweis, dass das auf den letzten Seiten des Buches vorgestellte Konzept der Kreditvergabe (Kreditismus) „reiner Klaussner sei, ohne dass dieser genannt wird.“ Gemeint ist das Buch von Hans-Jürgen Klaussner: „HuManWirtschaft“. Ich bin dem nicht nachgegangen. Mögen andere nach den weiteren Plagiaten des Buches fahnden.

Zweiter Teil

In diesem Abschnitt meiner Kritik möchte ich auf die Substanz der Thesen selbst eingehen. Zunächst scheint es mir geraten, die Selbsteinschätzung der beiden Autoren, die sich selbst als revolutionäre Denker verstehen, in das rechte Licht zu rücken. Während sie ihre akademischen Kollegen aus Gegenwart und Vergangenheit nahezu pauschal als Versager abstempeln, machen sie keinen Hehl aus ihrem Glauben, den Stein der Weisen nun endlich gefunden zu haben. Angesichts solcher Ansprüche werden sie in Kauf nehmen müssen, dass man sich ihrer eigenen Denkfähigkeit kritisch nähert.

Der Denkstil

Fangen wir mit ihrem Verhältnis zu Karl Popper an. Dieses ist insofern bemerkenswert, als sie hier ganz gegen ihre sonstige Gewohnheit, die Wahrheit nur dann zu dulden, wenn sie aus ihrem eigenen Munde stammt, in diesem Fall eine Ausnahme machen. Ihn akzeptieren sie im Gegenteil als letzte und unanfechtbare Autorität. Allerdings scheinen sie von Popper nur ein einziges Diktum zu kennen, seine Falsifizierungsregel, auf die sie sich, wenn ich richtig zähle, in ihrem Buch, gleich viermal beziehen (10, 97, 166, 205). So heißt es auf Seite 10: „Erst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelte der österreichische Philosoph Sir Karl Popper das sogenannte Falsifikationsprinzip, demnach Theorien so formuliert werden müssen, dass sie von anderen Wissenschaftlern widerlegt werden können… Weder römisches Recht noch doppelte Buchhaltung und Bilanzierung sowie die aus beiden abgeleiteten Verhaltensregeln für die gesamte Menschheit der westlichen Welt können diese Prüfung jedoch bestehen.“ Auf Seite 16 gipfeln ihre Ausführungen dann in einem Programm: „Aus diesem Grunde werden wir u.a. nachweisen, dass es sich bei diesen sogenannten Wissenschaften [nämlich bei Rechts- und Wirtschaftswissenschaften] tatsächlich aus streng empirischer Sicht um Pseudowissenschaften handelt.“

Leider haben Hörmann und Pregetter den von ihnen so hochverehrten Sir Karl Popper ganz einfach missverstanden. Dieser hat lediglich verlangt, dass Wissenschaften, die Existenzbehauptungen aufstellen, z.B. indem sie Aussagen über die Zukunft treffen, diese Aussagen in einer widerlegbaren Form abgeben. Er hat keineswegs behauptet, dass eine Wissenschaft, wenn sie keine derartigen Aussagen erlaubt, deshalb nicht unter diesen Begriff fallen dürfe oder überhaupt eine Pseudowissenschaft sei. Zum Beispiel berichtet die Ethnologie, dass man sich bei den Maori durch Nasendrücken, unter Deutschen durch Händeschütteln, bei den Japanern mit einer Verbeugung begrüßt. Ihre Aussagen sind weitgehend deskriptiver Natur. Sie stehen ganz außerhalb jeder möglichen Falsifizierung – es sei denn, dass sie falsche Existenzbehauptung vorbringen, z.B. dass Deutsche die Nasen reiben. Die Jurisprudenz wiederum ist eine Wissenschaft, die teilweise – ganz wie die Ethnologie – bestehende Normen beschreibt, zum Teil aber auch darüber hinausgeht, indem sie solche Normen auch selber setzt. Sie tut dies etwa in einem Land, wo man gerade die ersten von Autos befahrbaren Straßen baut, und dann die Regel einführt, dass Autos immer rechtsseitig fahren sollen. Popper hat nie den Unsinn behauptet, dass solche normativen Setzungen dem Kriterium der Falsifizierbarkeit unterliegen. Andererseits gehört die Jurisprudenz als Korpus menschlichen Wissens (deskriptiver und normativer Natur) zweifellos zu den bedeutenden Humanwissenschaften.

Ein solches Missverständnis stellt bei einem ordentlichen Professor an der Universität Wien wohl einen eher beschämenden Denkfehler dar, den man andernorts in einer studentischen Diplomarbeit kaum akzeptieren würde. Was soll man zudem von einem Lehrstuhlinhaber sagen, der sich aufgrund eines derartigen Fehlers auf die Rosinante des Besserwissers hinaufschwingt und seinen vermeintlich verblendeten akademischen Kollegen von oben herab die Leviten liest: „Ihr seid doch alle die reinsten Pseudowissenschaftler!“

Auch sonst nehmen die beiden Wiener Shooting Stars ihren Mund gern bis zum Bersten voll. Nehmen wir z.B. den Trick mit der Doppelten Buchhaltung. In einem Interview mit Ewald Nowotny, dem derzeitigen Gouverneur der Österreichischen Nationalbank, wird dieser Fachmann als ahnungsloser Obskurantist hingestellt (131) – wobei dann die nachfolgende Heuchelei mit ihrer unerträglich herablassenden Arroganz erst die eigentliche Beleidigung enthält: „Wir schätzen Gouverneur Dr. Ewald Nowotny wirklich sehr als ehrlich bemühte, kompetente und integere Persönlichkeit“ (148).

Worum geht es? Herr Nowotny hatte erklärt, dass Geschäftsbanken Kredite aufgrund eingezahlter Spareinlagen vergeben. Darüber machen sich Hörmann und Pregetter ungeniert lustig – genau dies ist ja die ihrer Meinung nach grundfalsche Position der offiziellen (Pseudo-)Wissenschaft. Hörmann als Bilanzfachmann bringt gegen diesen vermeintlichen Aberglauben ein Argument in Stellung, das seiner Meinung nach überhaupt keinen Widerspruch duldet. Die von Nowotny und praktisch der ganzen restlichen Welt als selbstverständlich akzeptierte Übertragung von Geld aus den Händen der Sparer in die Hände von Kreditnehmern sei nämlich logisch unmöglich, weil die Gesetze der Bilanzierung das schlechthin verböten!

Nun ist dazu anzumerken, dass Herr Hörmann selbst in dem Buch mehrfach betont, der Doppelten Buchhaltung sehr skeptisch gegenüberzustehen. Er hält sie für ein Relikt aus dem Mittelalter und ihre baldige Abschaffung daher für dringend geboten. Das hindert ihn allerdings nicht, sie als Wunderwaffe gegen Herrn Nowotny und die gesamte Pseudowissenschaft der Ökonomie einzusetzen. Denn da leistet sie ihm, wie er ganz richtig spekuliert, hervorragende Dienste. Die zehn Seiten, auf denen er diese logische Unmöglichkeit erklärt, versteht nämlich niemand!

Und Hörmann und Pregetter wissen, dass man die meisten Menschen durch Nichtverstehen spielend schachmatt setzen kann. Die wenigsten begreifen, dass man in diesem Fall gar nicht verstehen muss. Hörmanns Argument erinnert nämlich verblüffend an das berühmte Paradox des Zenon von Elea. Dieser hatte behauptet, dass es aus logischen Gründen völlig unmöglich sei, dass ein Pfeil jemals sein Ziel erreiche oder Achilles die Schildkröte einholt. Nun weiß aber jeder geistig gesunde Mensch mit Ausnahme der Insassen von Irrenanstalten, dass genau dies tatsächlich geschieht. Der Pfeil erreicht sein Ziel, Achilles holt die Schildkröte ein. Deshalb schickt jeder vernünftige Mensch in diesem Fall die Logik zum Teufel und nicht etwa die Wirklichkeit. Die letztere zählt und nicht das immer mehr oder minder unvollständige, oft völlig verzerrte Abbild in unseren Köpfen. Die Bilanzierung aus der Trickkiste des Herrn Dr. Hörmann ist daher völlig unerheblich, wenn unsere Beobachtung einen anderen Sachverhalt lehrt!

Tatsächlich hätte Herr Nowotny nur folgendermaßen zu argumentieren brauchen. Die klassische Geschäftsbank ist eine vermittelnde Instanz zwischen Sparern und Kreditempfängern. Da sich einem Menschen mit überflüssigem Geld, dem Sparer, kaum die Möglichkeit bietet, in eigener Person nach Leuten zu suchen, die dieses Geld gewinnbringend anlegen und ihn dafür mit Zinsen belohnen können, überträgt er die Vermittlung an eine Bank. Im Prinzip jedoch wäre es durchaus möglich, dass jeder einzelne Sparer sich für seinen Betrag den passenden Empfänger sucht. Wenn also ein einzelner Sparer X an einen Kreditempfänger Y persönlich eine Summe ausleiht, oder wenn er statt einer Summe in Geld stattdessen einen Sack Getreide verleiht, wobei er beide nach einem Jahr mit Zinsen wieder zurückbekommt, dann möge uns doch bitte Herr Hörmann für diesen einfachsten Fall verraten, was seine Bilanzierungsregeln dabei zu suchen haben? Und wieso dieser Entleihvorgang nun logisch unmöglich sei? Hier wird mit simplen Tricks dem Leser Sand in die Augen gestreut.

Folgerichtiges, gewissenhaftes, vor allem aber selbstkritisch-abwägendes Denken gehört nicht zu den Qualitäten der beiden Autoren. Sie ziehen es vor, mit einer Art affenartiger Behändigkeit von einem Argument zum anderen zu springen, so dass kaum jemals ein Gedanke zu Ende gedacht, Einwände berücksichtigt, weniger offensichtliche Zusammenhänge erkannt und durchdacht werden. So kommt es, dass sich bei ihnen viel unzweifelhaft Richtiges und viel berechtigte Kritik mit groben Denkfehlern und Patzern zu einem für den Durchschnittsleser undurchdringbaren Gemenge verklumpen.

Die Thesen

Nach dieser Einleitung möchte ich mich jetzt mit einigen zentralen Thesen des Buches auseinandersetzen. Allerdings nicht mit den von Hörmann und Pregetter entwendeten Kopien, sondern mit den Originalen bei Ellen Brown, wie sie sich auf der oben zitierten Internetseite befinden.

Ist es wahr, dass Geschäftsbanken Kredite aus dem Nichts schöpfen können und deshalb 97% allen Geldes von diesen aus Luft geschaffen wird? Theoretisch besteht diese Möglichkeit. Eine Bank kann ja – wie dies von H. und P. behauptet – einfach eine bestimmte Summe niederschreiben und sich auf diese Art im Prinzip unendlich bereichern – etwa so wie Kinder sich im Schlaf Millionen erträumen. Dann entsteht allerdings ein Problem. Jeder Mann mit Hausverstand (von diesen ist bei H. und P. immer wieder die Rede) wird dann den naheliegenden Einwand erheben, dass Bankenkrisen dann doch gar nicht mehr möglich seien? Aufgrund ihrer kreativen Fähigkeiten zieht sich jede Geschäftsbank ja an den eigenen Haaren mühelos aus dem Sumpf. Auf Ellen Browns Internetseite ist über diesen Einwand nichts zu erfahren, auch Hörmann und Pregetter können uns deshalb nicht weiter helfen. Es wird auch nicht begründet, warum sich Banken in der Krise gegenseitig keine Kredite mehr gewähren, obwohl sie doch ihr Geld aus Luft schaffen können und deshalb keinerlei Risiko eingehen.

John Maynard Keynes, der als typischer Vertreter einer „Pseudowissenschaft“ nicht einmal im Literaturverzeichnis der beiden Autoren erscheint, hatte mit diesem Problem noch ernsthaft gerungen. In seinem Werk „Vom Gelde“ lässt er nämlich – anders als in späteren Jahren – noch die Möglichkeit zu, dass Geschäftsbanken Geld auch unabhängig von den Einlagen der Sparer erzeugen. Keynes war jedoch ehrlich genug, sich mit dem Einwand auseinanderzusetzen, dass die Banken ihr Land dann doch mit dem Manna Geld geradezu überschwemmen könnten. Seine erstaunliche Antwort: Von dem lukrativsten Geschäft überhaupt – dem Geschäft Geld, aus Nichts zu zaubern – würden die Banken deshalb Abstand nehmen, weil sie sich bewusst Zurückhaltung auferlegen und nur „im Gleichschritt mit anderen Banken“ vorgehen. Eine merkwürdige Begründung, wenn man sich nämlich vor Augen hält, dass Geschäftsbanken einander in der Konkurrenz mit Feuer und Schwert bekämpfen. Später hat Keynes das auch eingesehen, denn in der „Allgemeinen Theorie“ hat er sich von der Geldschöpfung aus dem Nichts wieder verabschiedet.

Vielleicht geht Ellen Brown in ihrem Buch „Web of Debt“ auf das Thema ein – Hörmann und Pregetter tun es jedenfalls nicht. Und sie haben auch einen guten Grund dazu, denn genau an diesem Punkt stößt ihre Theorie auf eine unüberwindbare Klippe. Eine Geschäftsbank kann theoretisch jede beliebige Menge von Zahlen produzieren und sie als Geld bezeichnen, aber sie kann keine andere Bank oder irgendjemanden sonst dazu zwingen, ein solches selbstproduziertes Zahlenwerk auch als geltendes Zahlungsmittel (Geld) entgegenzunehmen. Andere Banken akzeptieren ausschließlich von der Notenbank emittiertes und damit offiziell beglaubigtes Geld oder Wertpapiere, die ihrerseits ohne Abschlag in solches Geld transformiert werden können. Auch ein Kreditnehmer, der sich sein Haus finanzieren will, gibt sich nicht mit einem von seiner Bank soeben kreierten und mit einer Zahl versehenen Zettel zufrieden, denn der Baumarkt, wo er dann einkaufen will, nimmt eben auch nur von der Notenbank emittierte, offiziell gültige Geldscheine entgegen (auf elektronische Zahlungen einzugehen, fehlt hier der Platz. Siehe „Wohlstand und Armut“, S.140).

In jeder funktionierenden Geldwirtschaft wird das offizielle Zahlungsmittel – im elementaren Sinn von Münzen und Noten – von einer eigens dazu ermächtigten Instanz, der sogenannten Notenbank, geschaffen (welche die Münzherstellung manchmal an andere Institutionen vergibt). Dagegen üben Geschäftsbanken eine grundsätzlich andere Aufgabe aus: Sie vermitteln, wie schon gesagt, zwischen Leuten mit überflüssigem Geld und solchen, die Geld investieren wollen und deshalb bereit sind, es gegen Zinsen für eine bestimmte Zeit zu verleihen. Geschäftsbanken könnten auch völlig fehlen, dann nämlich, wenn jeder von uns über ein unendliches Wissen verfügt, das ihm verraten würde, wo er jeweils den für ihn passenden Investor findet, also einen Menschen, der exakt seine Sparsumme braucht und ihn dafür mit den entsprechenden Zinsen belohnt. Eine Notenbank aber kann in keiner Gesellschaft fehlen. Denn mit dem Instrument des Geldes wird der Güterverkehr nicht nur erleichtert, sondern in großem Stil überhaupt erst ermöglicht.

„So einfach ist das!“ – hier einmal erlaube ich mir die von Hörmann und Pregetter so ausgiebig verwendete Formel. Aus dieser Darstellung geht nämlich unmissverständlich hervor, dass Geschäftsbanken in einer funktionierenden Geldwirtschaft, Geld immer nur transferieren, nämlich von einer Hand in die andere leiten – geschöpft wird es anderswo. Wohl gemerkt, das gilt für eine funktionierende Geldwirtschaft, von der spätestens seit der Bankenkrise nicht mehr die Rede sein kann. Seit die EZB Liquidität zum Nulltarif in den Markt pumpt, und zwar gegen Wertpapiere zweifelhafter Bonität (und damit gegen die eigene Satzung verstößt), und seit Geschäftsbanken sich darauf verlegen, dieses für sie nahezu kostenlose Geld in großem Maßstab in Staatsobligationen anzulegen und an der Zinsdifferenz kräftig zu verdienen – und zwar auf Kosten des Steuerzahlers – funktioniert die Geldwirtschaft nicht mehr so, wie eigentlich vorgesehen. Der Einstieg von Geschäftsbanken in das Investmentbanking hat dann ein Übriges getan, um das System zu korrumpieren. Doch es hilft überhaupt nicht, wenn man die Grundform eines funktionierenden Systems mit dessen Entartungserscheinungen verwechselt (wie ich sie ausgiebig im „Pyramidenspiel“ behandle)!

Wie ist es nun mit der Schuld, die bei Ellen Brown eine so bedeutende Rolle spielt? Alles Geld beruht angeblich auf einer Schuld. Für Entleihvorgänge zwischen einzelnen Individuen oder solche, die eine Geschäftsbank im Auftrag ihrer Kunden durchführt, trifft diese Feststellung natürlich zu. Borge ich mir von einem Mitbürger Geld, dann stehe ich in seiner Schuld, genauso wie der Staat gegenüber seinen Bürgern, wenn er sich diesen gegenüber verschuldet. Aber setzt auch das von der Notenbank geschöpfte Geld eine Schuld voraus? Die hierzu von Heinsohn und Steiger vorgebrachten Argumente sind nicht überzeugend (siehe Jenner, „Wohlstand und Armut“. S. 125ff). In diesem Zusammenhang ist das aber eher belanglos. Wichtig ist vielmehr, dass die Notenbanken zwar Geld aus dem Nichts erzeugen, dieses Geld aber keineswegs das Nichts repräsentiert und schon gar nicht (wie Ellen Brown behauptet) durch Staatsschulden gedeckt wird. Die Deckung neu geschaffenen Geldes besteht vielmehr in einem Mehr an volkswirtschaftlicher Leistung und einem entsprechenden Mehr an Gütern, denen eine größere Geldmenge entsprechen muss, damit keine Deflation eintritt. Andererseits muss die Notenbank bei einem Rückgang der volkswirtschaftlichen Leistung, wenn also die Menge an gehandelten Gütern und Dienstleistungen abnimmt, ebenso in der Lage sein, Geld wieder aus dem Kreislauf herauszuziehen. Sie erhebt daher eine Gebühr auf das von ihr in Umlauf gebrachte Geld (von mir als „Steuerungsgebühr“, doch üblicherweise irreführend als Leitzinsen bezeichnet). Da in Zeiten der Rezession niemand diese Gebühr entrichte möchte, erreicht die Notenbank auf diese Art genau den von ihr verfolgten Zweck: die Rückgabe überschüssigen Geldes, das andernfalls inflationäre Tendenzen auslösen würde.

Fassen wir zusammen: In einer funktionierenden Geldwirtschaft ist das von der Notenbank kreierte Zahlungsmittel sehr wohl gedeckt. Die Thesen 1 bis 4, sowie 5 und 8 von Ellen Brown sind deshalb als schlichtweg falsch zu verwerfen. Die orthodoxe Wirtschaftswissenschaft, die angeblich pseudowissenschaftlich argumentiert, sagt hier das Richtige. Ellen Brown irrt und ebenso ihre beiden Kopisten. Übrigens liegen auch Heinsohn und Steiger auf dieser Linie. Der Unterschied ihrer Theorie bezieht sich lediglich auf die Behauptung, dass auch der Geldschöpfung durch die Notenbank eine Schuld zugrunde liege. (Thesen 7 und 14 mögen unentschieden bleiben, da ihnen wenig Bedeutung zukommt. Ich habe den Debitismus in „Wohlstand und Armut“ ausdrücklich als logisch unhaltbar verworfen).

Browns These 8, wonach der Staat das von ihm benötigte Geld doch besser selber drucken und münzen solle, hat seine wenig nachahmenswerten historischen Vorbilder. Denn genau dieses Verfahren haben die Fürsten in der Zeit des Mittelalters ja praktiziert und sich auf diese Weise auf Kosten ihrer Untertanen oft maßlos bereichert. Es war eine große Leistung der Neuzeit, diese Aufgabe einem unabhängigen Institut zuzuweisen, das sich an der Preisstabilität orientiert. Ein Staat, der das Geldmonopol an sich reißt, erwirbt dadurch eine Allmacht, die seinen Bürgern selten gut bekam.

In These 10 behauptet Ellen Brown, der Beweis dafür, dass Geschäftsbanken die Welt mit Geld überschwemmen, gehe eindeutig daraus hervor, dass die Geldmenge auch dann steil in die Höhe schnelle, wenn Notenbanken kaum neues Geld schaffen. Diese Behauptung ist primitiv. Sie beruht auf einer simplen Begriffsverwechslung. Geld wird hier einmal für M0 verwendet, nämlich für von der Notenbank kreierte Zahlungsmittel; das andere Mal für M3 (Bargeld einschließlich Zentralbankguthaben der Banken plus Sicht-, Termin- und Spareinlagen einschließlich Schuldverschreibungen, Geldmarktfondsanteile etc.). Natürlich kann die Summe von Guthaben und Schulden unendlich steigen, ohne dass die Notenbank ihrerseits mehr Geld in die Wirtschaft schleust. Auch hier zeigen sich Hörmann und Pregetter als brave Abschreiber. Die Verwechslung der beiden ganz unterschiedlichen Geldbegriffe findet sich ebenso bei ihnen. Man begegnet ihr auf Seite 57, wo die beiden Autoren in gewohnter Manier wieder einmal eine Breitseite auf einen vermeintlichen Pseudowissenschaftler abfeuern. Diesmal trifft es Hans-Werner Sinn vom ifo-Institut für Wirtschaftsforschung, dem sie auch an anderer Stelle Inkompetenz bescheinigen. Sinn hatte nämlich im Januar 2011 geschrieben, dass „Banken derzeit selbst nicht genug Geld haben“. Im Gefolge von Ellen Brown glauben Hörmann und Pregetter dies mit einer Grafik zu widerlegen, in der sie die Entwicklung von M3 aufzeigen!

Es ist kurios, dass Hörmann und Pregetter sich für ihre Geldschöpfungsphantasterei auf Zahlen der Österreichischen Nationalbank beziehen. Sie behaupten damit nicht mehr und nicht weniger, als dass Herr Nowotny die Daten und Darstellungen seines eigenen Hauses nicht kennt! Offenbar ist ihnen verborgen, dass buchungstechnische Darstellungen und Statistiken immer interpretationsbedürftig sind. Was zählt ist die Wirklichkeit, die sie beschreiben, andernfalls verliert man wie Zenon von Elea den Blick für die wirklichen Vorgänge. Als die Welt der Geschäftsbanken noch heil war, sagen wir vor zwanzig Jahren, hätte jeder Sparkassenchef einer kleinen Gemeinde (wo die Verhältnisse besonders klar zu Tage liegen) die beiden Herren offen ausgelacht. Sie wussten, dass sie das überzählige Geld der reicheren Bürger ihrer Gemeinde an die kreditbedürftigen Unternehmen ihrer Ortschaft weitergaben. Die Behauptung, dass sie dabei Geldschöpfung betreiben, wäre ihnen schlicht absurd vorgekommen (obwohl natürlich nichts dagegen spricht, eine Kreditvergabe mit irgendeinem beliebigen Namen, z.B. als Schöpfung, zu bezeichnen oder den Vorgang bilanztechnisch als einen solchen hinzustellen).

Was zählt ist immer und allein die zugrunde liegende Wirklichkeit! Was Herr Nowotny und die seriöse Wissenschaft zu diesem Punkt zu sagen haben, hat Helmut Creutz schon vor Jahren an den Zahlen der Deutschen Bundesbank nachgewiesen, nämlich dass die Summe aller Kreditausreichungen sämtlicher Geschäftsbanken Deutschlands niemals über der Summe aller Spareinlagen lag. Er tat dies an Hand der jährlich von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Bilanzen.

„Die Geldersparnisse gehen aber nicht nur den Krediten voraus, sondern sie liegen auch durchweg über den Krediten, da nicht jeder Euro, den man übrig hat, auch umgehend einen Kreditnehmer findet. Das gilt auch für die Banken, bei denen sich aus praktischen und Sicherheitsgründen die Notwendigkeit einer gewissen Pufferhaltung ergibt. Das zeigt sich auch, wenn die von den Nichtbanken erhaltenen Einlagen mit den an die Nichtbanken ausgegebenen Krediten vergleicht. Zieht man dafür die Gesamtbilanzen heran, die regelmäßig im statistischen Teil der Monatsberichte der Deutschen Bundesbank auf den Seiten 20 bis 23 veröffentlicht werden, dann ergeben sich dort für Ende 2002 folgende Größen:

Kredite an Nichtbanken u.a. Aktiva: 4258 Mrd. Euro

Einlangen von Nichtbanken u.a. Passiva: 5003 Mrd. Euro

Dadurch entsteht also ein Einlagenüberschuss von 745 Euro bzw. rund 15 Prozent, was längerfristig betrachtet etwa der Obergrenze dieser Überschüsse entspricht (H. Creutz, Die 29 Irrtümer rund ums Geld, München 2004).

In einer persönlichen Mitteilung, in der Herr Creutz auf die bisher vorliegenden Zahlen für das Jahr 2011 eingeht, heißt es: „Das gilt auch für die Zahlen aus dem jüngsten Monatsbericht, bezogen auf die Seiten 24-25 und den Monat August: Die Einlagen der Nichtbanken hat Herr Pregetter mit 3.240 Mrd bereits genannt, aber er muss noch den Bestand der Schuldverschreibungen hinzuzählen, über die die Banken auf eigene Aktivität noch weiteres Geld bei den Nichtbanken hereinholen. Deren Summe lag in den vergangenen Monaten (den Oktober-Monatsbericht mit den August-Zahlen habe ich noch nicht vorliegen) bei 1.420 Mrd was insgesamt Kundengelder von rund 4.660 Mrd ergibt, denen „Kredite an Nichtbanken“ von knapp 4.000 Mrd gegenüberstehen. Das bedeutet, dass sich die einbehaltenen Kundengelder mit etwa 16% im normalen Bereich zwischen12 und 20 Prozent bewegen.“

Auf Seite 147 ihres Buches machen sich Hörmann und Pregetter darüber lustig, dass Herr Nowotny ganz wie Helmut Creutz darauf besteht, dass eine Kreditvergabe überhaupt nur möglich sei, wenn eine entsprechende Mittelaufbringung durch Spareinlagen vorweg stattfindet. Die beiden Akademiker haben zwar keine Bedenken, sich ohne Quellennachweis einer Grafik von Helmut Creutz zu bedienen, aber sie lesen und verstehen ihn nicht. Andernfalls wäre ihnen nicht entgangen, dass die Übereinstimmung von Spareinlagen und Kreditausreichungen aus den Berichten der Deutschen Bundesbank unmissverständlich hervorgeht. Es ist kaum anzunehmen, dass Österreich grundsätzlich anders tickt als der Rest der Welt. Erst seit der Bankenkrise hat sich einiges geändert. Ich sprach oben von der Korruption des Systems.

Das erste Gebot für die richtige Interpretation von Bilanzen besteht darin, dass man Begriffe, die unterschiedliche Tatsachen bezeichnen, auch unterschiedlich verwendet und unterschiedlich bewertet. Zum Beispiel darf man nicht denselben Begriff Geld verwenden, wenn er ganz verschiedene Dinge meint. Aufgrund dieser Begriffsverwirrung lesen die Herren Hörmann und Pregetter die Bilanzen der Österreichischen Nationalbank so ganz anders als deren Chef, Herr Nowotny, und aufgrund eines ähnlichen Missverständnisses haben sie Hans-Werner Sinn angepatzt (siehe oben).

Allerdings sollte man ihnen mildernde Umstände zubilligen. Zu ihrer Entschuldigung darf man sagen, dass die Ursache der Begriffsverwirrung letztlich bei den Notenbanken selber zu suchen ist. Diese haben aus Zweckmäßigkeitsgründen (siehe “Wohlstand und Armut”, S. 160) den Geldbegriff auf eine Weise erweitert, wie es in früheren Zeiten undenkbar gewesen wäre. Keinem Kaufmann der Renaissance wäre im Traum eingefallen, Schulden und Guthaben, also ein bloßes Versprechen bzw. ein Anrecht auf Geld, dem Geld selbst zuzurechnen. Genau das jedoch ist heute der Fall (M3 gilt als sogenanntes “Geldaggregat”). Wenn man für bestimmte Jahre den Zuwachs dieses fälschlich als Geld apostrophierten Aggregats mit dem Zuwachs des eigentlichen, nämlich des von der Notenbank in Umlauf gesetzten Zahlungsmittels, vergleicht, dann kann man in der Tat mit Ellen Brown zu der falschen Schlussfolgerung gelangen, dass 97% des „Geldes“ von den Geschäftsbanken geschaffen werde. In dieser Begriffsverwirrung liegt der eigentliche Ursprung der bedauerlichen Turbulenzen in den Köpfen von Hörmann und Pregetter.

Ich selbst werde mich an dieser Diskussion nicht weiter beteiligen. Alles, was ich zu diesem Thema zu sagen habe, ist in „Wohlstand und Armut“ nachzulesen. Bei ernst zu nehmenden Autoren, z.B. bei dem auch von mir hochgeschätzten Herrn Schulmeister, habe ich keine grundsätzlich andere Auffassung angetroffen.

Dritter Teil: Fazit

Mit diesem Überblick über die Hauptthesen von Ellen Brown, die zugleich auch die Hauptthesen ihrer Kopisten sind, glaube ich einen hinlänglich deutlichen Eindruck vermittelt zu haben. Auf Wunsch gehe ich auch gern noch auf die verbliebenen Thesen ein. Hörmann und Pregetter sagen viel Richtiges. Zwischendurch – wenn sie sie nämlich kurz einmal ihre Rolle als selbsternannte Geistesgiganten vergessen – bereitet es sogar Genuss, sie zu lesen. Doch das Richtige vermischen diese Autoren wahl- und kritiklos mit Halbwahrheiten, offenkundigem Unsinn und bloßen Behauptungen. Die Tatsache, dass sie das Falsche noch dazu von dritter Seite ohne Angabe ihrer Quelle beziehen, könnte für ihre weitere Karriere sogar zum Bumerang werden.

Alles in allem ist dies ein schwer zu verdauendes Buch. Die Farbpalette von Hörmann und Pregetter kennt nur zwei Töne: düsterstes Schwarz auf der einen Seite und auf der anderen eine Farbe, die nicht eigentlich Weiß genannt werden kann, weil sie bei ihnen keine eigene Substanz besitzt. Ihre Vision von einer neuen Gesellschaft besteht nur in der Abwesenheit von Schwarz, also aller von ihnen so hingebungsvoll beschriebenen Übel. Für andere als sie liegt zwischen Schwarz und Weiß allerdings ein unendliches Feld. Leider gerät ihnen diese Unendlichkeit nie in den Blick. Die Fähigkeit, Abstufungen und Zwischenfarben zu sehen, geht ihnen ab. Sie sind Reisenden zu vergleichen, die in einem fremden Land nur schielende, hinkende, kahle, picklige oder sonstwie unerfreuliche Leute wahrnehmen, aber ganz übersehen, dass sie dort ebenso viele gelungene Exemplare der Spezies Mensch finden könnten. Der sogenannte Kapitalismus – besser die Eigentumsgesellschaft – hat sehr viele Fehler: unendlich viele, wenn man nur lange genug nach ihnen sucht. Aber dieser Gesellschaftstyp bietet auch Vorteile, die in vergleichbarem Ausmaß in keiner anderen Wirtschaftsform zur Entfaltung gelangten, vor allem die freie Entfaltung der einzelnen. Das sehen die beiden Wiener Revoluzzer nicht – und wollen es wohl auch nicht sehen. In diesem Sinne ist ihr Buch ein Beispiel für demagogische Pseudowissenschaft – also genau das, was sie ihren Gegnern vorwerfen.

Zu empfehlen ist auch die vernichtende Kritik – von Quacksalberei ist die Rede -, die Eric Frey (KrisenFrey), Redakteur der österreichischen Tageszeitung Der Standard, und Friedrich Schneider, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Linz, im Wirtschaftsblatt zu dem Buch von Hörmann und Pregetter abgeben.