Eigentum – ein Irrtum im deutschen Grundgesetz?

Artikel 14

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Das deutsche Grundgesetz bezieht zum Eigentum eine unklare Stellung. Einerseits garantiert es das Eigentum und zieht in dieser Hinsicht eine unmissverständliche Grenze gegen den Marxismus, dessen wesentliche Forderung eben in der Aufhebung des Eigentums (an den Produktionsmitteln) besteht. Dem Artikel 14 verdankt Deutschland seine Zugehörigkeit zum westlichen Lager und zu einem Wirtschaftssystem, das überall auf der Welt, wo es sich gegen kollektivistische oder feudale Tendenzen durchsetzen konnte, eine Entfesselung der individuellen Kräfte zur Folge hatte – und zwar in historischer Sicht von der Zeit der demokratischen Stadtstaaten Griechenlands seit dem sechsten vorchristlichen Jahrhundert bis zur modernen Industriegesellschaft.

Andererseits war den Gründungsvätern durchaus bewusst, dass Eigentum auch missbraucht werden kann, deswegen haben sie ausdrücklich einen Absatz hinzugefügt, in dem sie auf der Verpflichtung des Eigentums gegenüber dem Gemeinwohl bestehen. Doch diese Klausel wurde in einem dritten Absatz gleich wieder abgeschwächt. Die Väter des Grundgesetzes sahen sehr wohl, dass es im Sinne des Gemeinwohls unerlässlich sein kann, in private Eigentumsrechte einzugreifen, aber für diesen Fall schreiben sie einen gesetzlichen Anspruch auf Entschädigung vor. Auf den ersten Blick scheint das auch gerecht und notwendig zu sein.

Dieser Artikel wurde in aktualisierter Form in mein neues Buch aufgenommen:

EuroKalypse Now – Es gibt einen Weg aus der Krise!

Es wird Anfang September dieses Jahres (2012) im Metropolis Verlag erscheinen.