Eine Welt – Kein Turmbau zu Babel One World – Why the Race of Nations must come to an End

Die zwölf Hauptthesen des Buches

Ein universales Gewissen lässt sich von den Jägern und Sammlern bis in unsere Zeit nachweisen (S. 44, 68, 137). Es besteht darin, dass Frieden im menschlichen Zusammenleben immer als letztes und höchstes Ziel gesehen wurde.

Der Ursprung sozialen Friedens ist allerdings derselbe wie für den Krieg. Während die Etablierung verbindlicher Regeln Menschen berechenbar füreinander macht, bringt die Andersartigkeit dieser Regeln in jeder Kultur zwangsläufig gegenseitige Unberechenbarkeit hervor und führt zu Kriegen: es gibt eine Binnen(Bruder-) und eine Außen (Feindes-)Moral (S. 12, 27, 44). Die beiden Tendenzen – einerseits zu größeren Einheiten, andererseits zu separatistischer Trennung – sind zwar immer gleichzeitig vorhanden. In welthistorischer Perspektive wiegt aber die erste dermaßen vor, dass man von einem Quasigesetz reden darf. Erst der Abschluss dieser Entwicklung, die Vereinigung zu „Einer Welt“, vermag den zerstörerischen Gegensatz von Bruder- und Feindesmoral aufzuheben (S. 162).

Die beiden Triebkräfte der Geschichte sind das universale Gewissen und der Zufall der Erfindungen, die alle sozialen Verfestigungen aufreißen und sie neugestalten. Die vier Zeitenbrüche: Homo Loquens (Spracherwerb), Homo domesticus (Ackerbau), Homo technologicus (Industrielle Revolution) und Homo Deus sive Diabolus (Postfossile Zivilisation)  sind alle aus unvorhersehbaren Erfindungen hervorgegangen (S. 16, 22, 34, 83). Der erste Zeitenbruch aus einer Erfindung der Evolution, die drei anderen aus Erfindungen des Menschen selbst.

Vor etwa zwölftausend Jahren trat mit dem zweiten Zeitenbruch die agrarische Abhängigkeitsformel in Kraft, welche in sämtlichen Massenkulturen zur Unterjochung und Ausbeutung der Nahrung produzierenden Mehrheit (mindestens 80% der Bevölkerung) führte. Nur kleine sogenannte „Gartenkulturen“ bildeten eine bemerkenswerte Ausnahme von dieser Regel (S. 62). Die Erlösung der Nahrung produzierenden Mehrheit aus dieser Quasi-Sklaverei geschah durch die Industrielle Revolution und wäre ohne die Nutzung fossiler Energien nicht möglich gewesen (S. 34, 77).

5 Üblicherweise wird der Kapitalismus als das wesentliche Kennzeichen der neuen mit der Industriellen Revolution einsetzenden Epoche gesehen (S. 84). Aus holodoxer Sicht ist die von diesem Zeitenbruch ausgelöste wirtschaftliche und technische Neuordnung jedoch nur Teilaspekt innerhalb einer umfassenden „Privatisierung von Macht“, die alle Bereiche erfasste und politisch zum ersten Mal eine echte Demokratie möglich machte, welche die gesamte Bevölkerung und beide Geschlechter umschließt (S. 84).

Der vielgeschmähte Wettbewerb ist eine Voraussetzung für die Gleichheit der Chancen. Hierarchische Gesellschaften und Diktaturen unterdrücken den Wettbewerb. Doch nur der gebändigte Wettbewerb dient dem Menschen (S. 81). Der anarchische Wettbewerb – das Wettrennen der Nationen um die größere ökonomische und militärische Macht – hebt alle Regeln auf und könnte durchaus zur Selbstauslöschung der Menschheit führen (S. 122).

7 Lange vor Marx wurde die klassenlose Gesellschaft von der Aufklärung gefordert, die alle erblichen Privilegien abschaffen und sie vollständig durch individuelles Wissen und Können ersetzen sollte. In einer gerechten Gesellschaft sollten ausschließlich persönliche Fähigkeiten den Rang – also die materielle Belohnung wie das Ansehen – des einzelnen Bürgers bestimmen (S. 71, 88). Daraus ergibt sich aber ein unaufhebbarer Widerspruch. In Gestalt der produzierenden Wirtschaft ist demokratischen Staaten ein undemokratisches Prinzip von vornherein eingebaut (S. 96). 

Selbst in funktionierenden Demokratien übt ein überdurchschnittliches Eigentum an Geld oder knappen Gütern (Rohstoffen etc.) bis heute einen von Wissen und Können unabhängigen Einfluss auf die soziale Stellung aus (17) (S. 118).[i] So begünstigt zum Beispiel der Mechanismus der Zinsen die Reichen und Superreichen unabhängig von eigener Leistung in so hohem Grade, dass sich daraus ein ständiger leistungsloser Geldfluss von unten nach oben ergibt (17, 18) (S. 118, 195). Auch durch bewusste Umverteilung in entgegengesetzter Richtung kommen Demokratien auf Dauer nicht dagegen an, dass Reichtum sich selbst vermehrt. Abgeschafft werden können leistungslose Einkommen aber nicht, solange das Wettrennen der Nationen besteht. Das ist erst in „Einer Welt“ möglich.

9 Das universale Gewissen verlangt einen gerechten Staat, wo die Unterschiede von materieller Belohnung und immateriellem Ansehen der Bürger auf allgemein akzeptierten Maßstäben beruhen, also auf der Qualifizierung durch Wissen und Können (S. 10, 164).

10 Wissenschaft und Technik sind ungemein wirksame Instrumente in der Beherrschung der Natur, aber sie drohen sich in Selbstzwecke zu verkehren, die dem Menschen ebenso dienen wie schaden. Die Spirale wachsender Komplexität des technischen Fundaments moderner Gesellschaften macht aus der Welt einen babylonischen Turm, indem sie immer mehr wechselseitig unverständliche Teilsprachen hervorbringt (S. 233). Und noch viel bedrohlicher: unsere vermeintliche Herrschaft über die Natur könnte in deren ökologische und nukleare Vernichtung umschlagen. Das vorherrschende Wettrennen der Nationen erlaubt keine Trennung der nützlichen von den schädlichen Auswirkungen. Aus holodoxer Sicht ist das erst in „Einer Welt“ möglich.

11 Wissenschaft und Technik sind trans-moralisch und trans-ästhetisch (S. 25, 34, 108). Menschen werden aber durch gemeinsame moralische Werte füreinander berechenbar und zusammengehalten. Andernfalls zerfallen sie in einander bekämpfende Subkulturen. Eine gestörte Weltanschauung blendet diesen zentralen Punkt aus (S. 164, 181, 203).

12 Der Staat ist ein moralischer Zweck mit technischen Mitteln(S. 101). Vor dem Übergang der vorindustriellen moralischen Weltanschauung in die moderne naturwissenschaftlich geprägte galt die moralische Fundierung des Staats überall in der Welt als selbstverständlich (S. 164, 167). Das Wettrennen der Nationen erhebt aber die Mittel zum Zweck (auch die apokalyptischen Endzeitwaffen und die technikbewirkte Vergiftung der Umwelt), solange dem einzelnen Staat daraus Vorteile erwachsen (S. 176, 178, 183, 185, 188). Nur „Eine Welt“  kann wirksam gegen diese Pervertierung vorgehen. Nur sie kann die nationalen Egoismen beseitigen und dem universalen Gewissen zum Sieg verhelfen (S. 199).


[i] Es gibt keine ein für alle Mal gültige Definition einer gerechten Gesellschaft. Ist es gerecht, dass die Tüchtigsten die größten materiellen Belohnungen und das größte Ansehen genießen? Sollten nicht eher Behinderte und Kranke dafür entschädigt werden, dass die Natur so mitleidslos mit ihnen verfuhr? Offenbar nicht. Jede Gesellschaft richtet sich am eigenen Nutzen aus. Sie fördert diejenigen, von deren Tätigkeit sie sich den größten Gewinn verspricht. Das konnten in der Vergangenheit die religiösen Welterklärer sein. Heute sind es vorwiegend die Weltveränderer, also Wissenschaftler und Techniker.

Der aufhaltsame Vormarsch der Demokratie

Auszug aus meinem noch in diesem Monat erscheinenden Buch »Eine Welt – kein Turmbau zu Babel“

Whereas democracies assume that everyone is fallible, in totalitarian regimes the fundamental assumption is that the ruling party or the supreme leader is always right. Harari

What defines a system as ‘democratic’ is only that its centre doesn’t have unlimited authority and that the system possesses robust mechanisms to correct the centre’s mistakes. Harari

Die Wissenschaften von der Natur sind prinzipiell allen Menschen zugänglich. Wissen wird nicht vererbt, es muss durch eigene Anstrengung erworben werden. Insofern war Wissenschaft und war die Aufklärung von Anfang an demokratisch. Dennoch geht die Demokratie als politische Regierungsform keinesfalls zwangsläufig aus den Forderungen der Aufklärung hervor. Sollen Wissen und Können an die Stelle von Privilegien treten, dann kann man sehr wohl der Meinung sein, dass die Staatsführung grundsätzlich in keine anderen Hände als die von ausgebildeten Experten gehört. Aufgrund dieser Voraussetzung ist es nicht verwunderlich, dass führende Köpfe der europäischen Aufklärung wie Montesquieu, Locke, Voltaire, Hume, Rousseau oder Kant sehr verschiedene Meinungen zu diesem Thema hatten. Zum Beispiel Rousseau: seine „Volonté générale“ war nie mehr als ein intellektuelles Konstrukt, in der Wirklichkeit nur anzutreffen, wenn Volksmassen durch Demagogen verhetzt worden sind. Und nicht zu vergessen: Mehr als zweitausend Jahre zuvor hatte kein Geringerer als Plato die Meinung vertreten, dass die Lenkung eines Staates nur in den Händen der Wissenden – der Philosophen – liegen dürfe. Dabei orientierte er sich bekanntlich an Sparta, einer Militärdiktatur.

Die Forderung nach Demokratie schien eben durchaus nicht mit logischer Evidenz aus philosophischen Prämissen oder den Prinzipien der Aufklärung hervorzugehen. Die Lenkung eines Staates setzt Wissen und Erfahrung voraus – viel mehr als die Lenkung eines einzelnen Betriebes wie etwa eines Hüttenwerkes, einer Bäckerei oder einer Schusterwerkstatt. Schon bei Letzteren käme niemand auf den Gedanken, deren Führung beliebigen Menschen anzuvertrauen, also auch solchen, die nicht die geringste Ahnung von den auf sie zukommenden Aufgaben haben. Warum also sollen alle Menschen in einem Staat eine gleichwertige Stimme besitzen, wenn es um nicht weniger als dessen Zukunft geht? Und warum sollen alle Menschen als mögliche Kandidaten für die höchsten Posten des Staates – Präsident, Premier und Minister – gleichermaßen gewählt werden können, obwohl sie möglicherweise keine Ahnung von den auf sie zukommenden Aufgaben besitzen? Verträgt sich eine so verstandene Demokratie mit den Zielen der Aufklärung?

Die Frage ist von umso größerer Bedeutung, als die seit zweihundert Jahren wichtigste Institution demokratischer Staaten bis heute von Demokratie nichts wissen will. Bekanntlich wurde der moderne Industriebetrieb in den wirtschaftlich erfolgreichsten Staaten nur ausnahmsweise demokratisch organisiert – zeitweise war das nur im früheren Jugoslawien und während der ersten Nachkriegsjahrzehnte in Japan der Fall. Und diese Abwehrhaltung hat einen gewichtigen Grund: das Unternehmen als Kerninstitution der westlichen und inzwischen der ganzen übrigen Welt verdankt seinen außerordentlichen Erfolg gerade der Tatsache, dass es eben nicht demokratisch verfasst ist. Die Stimmen der in einem Unternehmen tätigen Menschen haben keinesfalls das gleiche Gewicht, wenn es um die Festlegung der Betriebsziele und deren konkrete Umsetzung geht. Was bei effizienzgeleiteten Institutionen zählt, ist das Fachwissen und die Fähigkeit, dieses zur Erreichung eines geplanten Ziels mit rationaler Konsequenz durchzusetzen. Der industrielle Betrieb als ökonomische Energiezelle aller modernen Staaten ist eine bewusst antidemokratische, hierarchisch bestimmte Organisation, die allein durch ihre Omnipräsenz ein Gegenmodell zur politischen Demokratie darstellt.

Dagegen protestiert so gut wie niemand, weil die antidemokratische Verfasstheit dieser Kerninstitution offenbar sinnvoll, ja, geradezu unabdingbar ist. Die Stimme eines fachfremden Laien darf in einem rational geführten Betrieb nicht dasselbe Gewicht besitzen wie die eines geschulten Experten! Allerdings gilt diese Wahrheit nicht für die Wirtschaft schlechthin, sondern speziell für die produzierenden Betriebe. Der Handel mit seinem Ableger der Reklame setzt wenig Fachwissen voraus, umso mehr dagegen die Fähigkeit der Überredung, der Manipulation, der psychischen Einflussnahme. Als ehemaliger Immobilienmakler kommt der gegenwärtige Präsident der Vereinigten Staaten bekanntlich nicht aus der produzierenden Wirtschaft, sondern aus dem Handel.

Aus der zentralen Bedeutung des Fachwissens für die produzierende Wirtschaft ergibt sich dann aber die weitere Einsicht, dass der klassische Familienbetrieb im besten Fall eine umsichtig zum Wohle der Mitarbeiter geführte Autokratie sein kann, im schlechtesten Fall ist er eine menschenverschleißende Diktatur. Die moderne Aktiengesellschaft bildet da keine Ausnahme. Sie steht zwar unter der Kontrolle der Geldgeber, doch macht das die Sache keineswegs besser, da sie in aller Regel auch über–wiegend dem Wohl der Geldgeber dient. Und die Auswirkungen der undemokratischen Betriebsverfassung reichen bekanntlich noch sehr viel weiter. Wer sich den Vorgaben der Betriebsleitung widersetzt, wird zwar nicht nach Sibirien verbannt, in ein Gefängnis gesperrt oder schlicht umgebracht, wie das in politischen Diktaturen die Regel ist. Der Betrieb hat es einfacher: Dissidenten oder Unfähige werden gefeuert. Das Prinzip bleibt gleichwohl dasselbe. Ganz so wie in einer politischen Diktatur wird der Dissident aus der Reihe der anerkannten Mitglieder verbannt. Amazon, Google, Microsoft, Volkswagen usw. sind undemokratisch verfasst. Darin liegt kein Vorwurf, sondern eine Notwendigkeit Es ist eine übergeordnete Instanz, der Staat, der darüber zu wachen hat, dass ihre Tätigkeit nicht allein dem privaten, sondern immer auch dem Gemeinwohl dient – diesem zumindest nicht widerstreitet.

Also warum eigentlich Demokratie?

Their /the Chinese/ system of governance is more like what is typical in big companies…, so they wonder why it is hard for Americans and other Westerners to understand the rationale for the Chinese system … Ray Dalio

Warum bestehen wir überhaupt auf politischer Demokratie, wenn die Kernzelle selbst demokratischer Staaten antidemokratisch ist und wenn sie genau dieser Tatsache ihre außerordentliche Effizienz verdanken, weil – genau wie die Aufklärung es verlangt – in einem Wirtschaftsbetrieb vor allem Wissen und Können zählen?

Diese Frage hatte sich schon Max Weber gestellt. Er glaubte, dass moderne Staaten in zunehmendem Maße autoritären Bürokratien gleichen würden. Hätte er den Aufstieg Chinas erleben können, würde er darin wohl die getreue Verwirklichung seiner prophetischen Vision gesehen haben.

Es ist ein Faktum, dass auch in westlichen Demokratien zwei zentrale Institutionen – die politische Ordnung und die Unternehmen der Wirtschaft – in schroffer Opposition zueinanderstehen. Da sie Zentren der Macht repräsentieren, der politischen und der ökonomischen Macht, ist jede von ihnen bestrebt, ihr jeweiliges Ordnungsprinzip auf die gesamte Gesellschaft auszudehnen. Den Gewerkschaften gelang es in einigen Staaten, eine demokratische Mitsprache in einem engen Bereich zu erreichen, nämlich bei den Arbeitsbedingungen und der Lohngestaltung,[i] dennoch liegt die Wahrscheinlichkeit, dass das demokratische Prinzip auf die Wirtschaft übergreift, gerade in unserer Zeit, wo Fachwissen mit jedem Tag stärker gefragt ist, nahezu bei null, während der umgekehrte Prozess, also das Übergreifen der hierarchisch-undemokratischen Unternehmensstruktur auf die politische Ordnung, immer eine reale Möglichkeit und Gefahr darstellt. Das ist mehr als nur eine theoretische Schlussfolgerung – diese Tendenz wird durch die Geschichte immer erneut bewiesen, zuletzt durch einen gewissen Donald Trump.[ii] Wenn die Mehrheit einer Bevölkerung aus schlecht gebildeten, überwiegend vielleicht sogar unwissenden Menschen besteht, welche die komplexen Probleme einer modernen Technogesellschaft nicht durchschauen, dann wählen Unwissende einen Unwissenden zu ihrem Präsidenten oder zu ihrem Repräsentanten im Parlament. Im Vergleich dazu kann eine politische Diktatur – unter bestimmten Bedingungen! – weit erfolgreicher sein, so erfolgreich eben wie ein moderner Industriebetrieb.

Jedenfalls scheint es kaum möglich, dem chinesischen Einparteiensystem und seiner Führung den geradezu sensationellen historischen Erfolg abzusprechen. Innerhalb von wenigen Jahrzehnten wurde China von einem bitterarmen Agrarland in den Rang einer Supermacht katapultiert, die den bisherigen Alphastaat, die Vereinigten Staaten, von seinem Sockel zu stürzen droht.[iii] Das Geheimnis dieses Erfolgs ist so klar zu erkennen wie bei jedem gut geführten Unternehmen. Zunächst wird ein Ziel festgelegt; bei einem Unternehmen ist das der maximale Profit. Im Fall eines Staates wie China geht es darum, das Ziel so zu bestimmen, dass die Staatsführung auf ein maximales Einverständnis bei der Bevölkerungsmehrheit zählen kann. Dieses Ziel besteht in der Beseitigung von Armut bis zur Erreichung des westlichen Wohlstandsniveaus und darüber hinaus.[iv]

Zweitens wird das Vorgehen zu dessen Verwirklichung in der kürzestmöglichen Zeit unter den geringsten Kosten nach rationalen Kriterien bestimmt. Bei einem Unternehmen besteht ein solches Verfahren meist in der Einführung eines neuen Produktes oder besserer Produktionsprozesse. In China gilt es als selbstverständlich, wissenschaftliche Experten zur Überwindung der Armut heranzuziehen. Entwicklung – 发展 (Fa Zhan) – und Wissenschaft – 科学 (Ke Xue) -, also Wissen und Können, sind die vorherrschenden Mantras – ganz im Sinne der Aufklärung. Bis heute lautet das Versprechen der Führung: „Wir machen euch alle mit jedem Tag etwas wohlhabender, aber wir können diese ehrgeizige Aufgabe nur bewältigen, wenn ihr unseren Anweisungen bis auf den Buchstaben folgt. Tut ihr das nicht, dann seid ihr Feinde unseres Aufstiegs, die wir vernichten.“

Die chinesische Führung hat bisher beide Teile ihres Versprechens wahr gemacht: einen kometengleichen Aufstieg – so gut und so detailliert durchgeplant wie bei jedem erfolgreichen Konzern – und andererseits die gnadenlose Verfolgung aller Abweichler und Dissidenten, die diesem Plan im Wege stehen.[v] Solange sie den ersten Teil ihres Versprechens weiterhin konsequent verwirklicht, steht eine Mehrheit auf ihrer Seite, und das Regime kann sich hinlänglich sicher fühlen.

Hat China die Vorgaben der Aufklärung nicht auf beispielhafte Weise erfüllt, weil Wissen und Können dort nicht allein die Lenkung von Unter-nehmen bestimmen, sondern auch die des Staates? Warum eigentlich Demokratie, müssen wir ein zweites Mal fragen, wenn die Übertragung des undemokratischen Unternehmensmodells auf die politische Ebene in China so gut funktioniert – und inzwischen von immer mehr Entwicklungsländern auf der ganzen Welt nachgeahmt wird? Warum nicht eine Elite der Wissenden, wenn in Demokratien die Gefahr besteht, dass Unwissende und Demagogen an die Spitze des Staats gelangen?

Es ist davon auszugehen, dass sich genau diese Frage viele Menschen auch im Westen stellen – vor allem führende Wirtschaftsbosse. Von jenen, die in Russland oder China ihre Geschäfte tätigen, wird man das wohl von vornherein annehmen dürfen. Wenig Zweifel dürften auch daran bestehen, dass die Freiheit, die eigene Meinung zu jedem beliebigen Thema in die Öffentlichkeit zu tragen, ein Luxus von Intellektuellen ist, der einem Großteil der Menschen, nämlich all jenen, die in Armut leben, wenig bis gar nichts bedeutet. Auf diese Freiheit verzichten sie gern, wenn ihnen das Regime im Tausch für die Unfreiheit zu materiellem Aufstieg verhilft.[vi]

Ein Beispiel aus unserer eigenen Geschichte steht uns dazu immer noch drastisch vor Augen. Zwischen 1924 und 1928 war der Anteil der Wählerstimmen für die Nazis von 6,6 auf 2,6 Prozent geschrumpft – den Deutschen ging es allmählich wieder besser. Sie konnten sich Demokratie und Meinungsfreiheit leisten. Dann brach die große, aus Amerika nach Europa übergeschwappte Depression von 1929 über Deutschland herein und machte mit einem Schlag die bescheidene wirtschaftliche Erholung der vier vorangegangenen Jahre wieder zunichte. Zwischen Mai 1928 und September 1930 schnellte die Zahl der Arbeitslosen von 270 000 auf ca. 1 Million in die Höhe. Bis 1933 verfünffachte sie sich noch von 1 auf 5,5 Millionen. Da ließ die Not die Menschen blindlings nach einem Retter schreien.[vii] Der Anteil der Nazis an den Wählerstimmen schnellte in diesen drei Jahren von 18,3 auf 43,9 Prozent. Die Freiheit, die ihnen die Demokratie versprach – und bis dahin auch weitgehend gewährte – spielte für Familienväter, die in dieser Zeit großer Not vor Suppenküchen Schlange standen, nun gar keine Rolle mehr. Sie waren bereit, jedem Populisten zu folgen, der ihnen das Heil versprach. Die Demokratie hatte verloren.

Das könnte heute auch in den Vereinigten Staaten geschehen. Dort hat die Auslagerung der vergangenen dreißig Jahre einen großen Teil der einst in Würde lebenden Arbeiterschaft ins Prekariat abdriften lassen.[viii] Für diese Leute ist Donald Trump ein Messias, der ihnen wie Hitler, Mussolini und andere große Verführer das Heil verspricht. Der Gegensatz zwischen einer superreichen Machtelite und den breiten Massen drückt sich nicht nur bei Einkommen und Vermögen aus, sondern ebenso in Bezug auf die Bildung und die sich daraus ergebenden Chancen. Eine Handvoll amerikanischer Universitäten zählt nach wie vor zu den weltbesten, aber die breite Masse der Amerikaner liest pro Jahr weniger als ein einziges Buch. Donald Trump ist ein Repräsentant dieser Schicht. Darin liegt eine wirkliche Gefahr, da ein Minimum an Bildung die Voraussetzung für das Funktionieren von Demokratien ist.

Der Staat – ein moralischer Zweck mit technischen Mitteln

It is particularly crucial to remember that elections are not a method for discovering truth. Rather, they are a method for maintaining order by adjudicating between people’s conflicting desires. Harari

Democracy is based on the understanding that the people is never a unitary entity and therefore cannot possess a single will. Harari

Fassen wir zusammen: Die Haltung der Aufklärer zur Demokratie fiel zwiespältig aus, je nachdem ob von Privilegien die Rede war oder von Wissen und Können. Den Aufklärern standen die Dynastien aus Herrscherfamilien vor Augen, die nicht selten Jahrhunderte lang an der Spitze des Staates standen. Es war das Privileg der Erblichkeit von Macht, dass die großen Denker des 18. Jahrhunderts unnachsichtig bekämpften. In einer Demokratie kann ein schlechter Staatsmann abgewählt werden, in einer Diktatur ist diese Ablöse nur nach katastrophal verlorenen Schlachten oder verheerenden Bürgerkriegen möglich ….


[i] Ulrike Herrmann (2022) beschreibt die Rolle der Gewerkschaften treffend und nur scheinbar paradox, wenn sie feststellt: „Die Gewerkschaften sind die Retter des Kapitalismus.“

[ii] Aber Wirtschaft ist kein monolithisches Gebilde. Während die Erzeugung von Produkten in der Regel ein hohes Maß an Wissen und Können verlangt, setzt der Handel die Kunst der Überredung und der psychischen Beeinflussung voraus, also eher Fähigkeiten schauspielerischer Art. Auf Wissen und Können, d.h. auf sachliche Kompetenz, kann im Extremfall auch völlig verzichtet werden. Produktion und Handel sind demnach zwei grundverschiedene Teile der Wirtschaft. Jedermann weiß, in welchem Bereich Donald Trump sozialisiert worden ist.

[iii] Ray Dalio: Deng died on February 19, 1997, having transformed China almost beyond recognition. When he came to power, 90 percent of the population lived in extreme poverty; at the time of his death that number had fallen by more than half, and as of the most recent data is below 1 percent. From the start of his reforms in 1978 until his death in 1997, the Chinese economy grew at an average rate of 10 percent a year, sextupling in size while experiencing an average inflation rate of just 8 percent… reserves grew from $4 billion to nearly $150 billion (inflation-adjusted to today’s dollars, its reserves grew by over $250 billion)… Output per person has increased 25 times, the percentage of people living below the poverty line has fallen from 96 percent to less than 1 percent, life expectancy has increased by an average of about 10 years, and the average number of years of education has increased by 80 percent… the number of science, technology, engineering, and math (STEM) graduates that are coming out of college and pursuing tech careers in China is about eight times that in the US.

[iv] Die größte Armut wurde zwar in erstaunlichem Tempo beseitigt, aber es „ist doch nicht auszuschließen, dass die in China weltweit höchste Einkommensungleichheit und das in miserablen Verhältnissen lebende Subproletariat der ländlichen Arbeitsmigranten eine politische Sprengkraft entwickeln, die das nach außen hin so unerschütterlich erscheinende Regime Xi Jinpings zum Wanken bringt“ (Münkler 2023).

[v] Ray Dalio äußert sich dazu in folgender Weise: When they are in a superior position, the Chinese tend to want a) the relative positions to be clear (i.e., the party in a subordinate position knows that it is in a subordinate position), b) the subordinate party to obey, and c) the subordinate party to know that, if it doesn’t do so, it will be punished. That is the cultural inclination/style of Chinese leadership.

[vi] Francis Fukuyama sagt es treffend und rundheraus: “A modernizing dictatorship can in principle be far more effective than a democracy in creating the social conditions that would permit both capitalist economic growth and, over time, the emergence of a stable democracy.”

[vii] Und da ist es dann auch ganz gleich, ob dieser eine rechte oder linke Couleur aufweist. Hierzu Francis Fukuyama 2020: „Die linken Parteien verlieren seit mehr als hundert Jahren an die Nationalisten, und zwar gerade in den armen und arbeitenden Bevölkerungsschichten, die eigentlich ihre stärkste Basis sein sollten.“

[viii] Fukuyama 2020: “Zwischen 2000 und 2016 verzeichnete die Hälfte der Amerikaner keinen Anstieg ihrer Realeinkommen; der Anteil der nationalen Wirtschaftsleistung, der an das oberste 1 Prozent geht, stieg von 9 Prozent des BIP im Jahr 1974 auf 24 Prozent im Jahr 2008.”

Democracy – a reversibel Progress

Excerpt from my book “One World! – Why the rise and fall of Great Powers musst come to an end” published in German but not yet available in English.

Whereas democracies assume that everyone is fallible, in totalitarian regimes the fundamental assumption is that the ruling party or the supreme leader is always right. Harari

What defines a system as ‘democratic’ is only that its centre doesn’t have unlimited authority and that the system possesses robust mechanisms to correct the centre’s mistakes. Harari

The sciences of nature are fundamentally accessible to all humans. Knowledge is not inherited; it must be acquired through individual effort. In this regard, science and enlightenment were inherently democratic from the beginning. However, democracy as a political form of governance does not necessarily arise from the demands of enlightenment. If knowledge and skills are to replace privileges, we may well argue that the leadership of the state should be in no other hands than those of educated experts. Given this premise, it is by no means surprising that leading figures of the European Enlightenment, such as Montesquieu, Locke, Voltaire, Hume, Rousseau, or Kant, widely differed as to their opinions on this matter. For instance Rousseau: his “volonté générale” was never more than an intellectual construct, only to be found in the real world when the masses are incited by demagogues. And let’s not forget: more than two thousand years earlier, none other than Plato had expressed the opinion that the governance of a state should be in the hands of the knowledgeable —  the philosophers as he called them. In doing so, he was inspired by Sparta, a military dictatorship.

The demand for democracy did not seem to logically derive from philosophical premisses or the principles of enlightenment. Governing a state requires knowledge and experience – much more than overseeing an individual enterprise, like a foundry, bakery, or shoemaker’s workshop. There, nobody would think of entrusting leadership to somebody without experience. So, why should all individuals in a state have an equal say when it comes to decide matters of good governance? Why should all people be equally eligible as candidates for the highest positions of power – for example president and prime minister – even if they have no idea of the tasks that await them? Does such an understanding of democracy align with the goals of European Enlightenment?

The question is even more relevant because the most important institution of democratic states is almost immune against democratic influence. In the most advanced states, modern industrial enterprises were only exceptionally organized democratically – at times this was the case in the former Yugoslavia and during the first post-war decades in Japan. The aversion to democracy in business had a sound reason, for this central institution of the Western world and beyond owes its extraordinary success precisely to its non-democratic structure. In efficiency-driven institutions, what matters is expertise and the ability to use it rationally to achieve planned goals. The industrial enterprise, as the economic powerhouse of all modern states, is a consciously anti-democratic, hierarchically devised organization, which by its very omnipresence presents an alternative model to political democracy.

Hardly anyone protests this anti-democratic stance, as it appears to be reasonable and even indispensable. It is generally accepted as a matter of course that in a rationally managed company, the voice of a layperson without specialist knowledge should not carry the same weight as that of a trained expert. However, this truth does not apply to the economy as a whole, but specifically to manufacturing companies. Trade, with its offshoot advertising, requires little specialist knowledge, but all the more the ability to persuade, manipulate, and exert psychological influence. As a former real estate agent, the current president of the United States is known to come not from the manufacturing sector, but from trade.

The central importance of specialist knowledge for the manufacturing industry leads to the further insight that, at best, the traditional family business is a carefully managed autocracy that acts in the interests of its employees; at worst, it is a dictatorship that wears people down. The modern joint-stock corporation is no exception to this rule. Being mostly controlled by shareholders, that hardly makes it a healthier place for employees, as it generally aims to serve the interests of investors. And the effects of such an undemocratic organizational structure extend still further. Those who resist the directives of corporate management may not be sent to Siberia, imprisoned, or outright killed, as is the norm in political dictatorships. Corporations have a simpler solution: dissenters or the inept are simply fired. The principle, however, remains the same. Like in a political dictatorship, the dissident is excluded from the ranks of recognized group members. Amazon, Google, Microsoft, Volkswagen, etc. are undemocratically structured. This is not a criticism, but a necessity. It is the responsibility of a higher authority, the state, to ensure that their activities serve not only private interests, but always the common good as well – or at least that they do not conflict with it.

But why democracy, after all?

Their /the Chinese/ system of governance is more like what is typical in big companies…, so they wonder why it is hard for Americans and other Westerners to understand the rationale for the Chinese system … Ray Dalio

The Enlightenment insisted on expertise and competence, and this program was faithfully adopted by business. So why do we need political democracy at all, if the core organizational structure, even of democratic states, is and will certainly persist in being anti-democratic given that its extraordinary efficiency is owed to this very fact?

The great Max Weber had already raised this question. He believed that modern states would increasingly resemble authoritarian bureaucracies. Had he been able to witness the rise of China, he would have seen this as a most convincing confirmation.

As a matter of fact, the two central Western institutions – the political order on one, the economic enterprise on the other side – are in stark opposition, each attempting to extend its governing principle across society. Labor unions have to a limited extent achieved democratic participation in areas such as working conditions and wage negotiations.[1] However, the likelihood of the democratic principle spreading to the economy is nearly zero, especially in our time where expertise is essential. But the reverse process, the spread of hierarchical and undemocratic corporate structures to the political order, remains a real possibility and danger. This is not just a theoretical conclusion – this tendency has been proven time and again throughout history, most recently by a certain Donald Trump.[1] If the majority of a population consists of poorly educated, perhaps even largely uninformed people who do not understand the complex problems of a modern technological society, then the uninformed will elect an uninformed person as their president or their parlamentary representative. In comparison, a political dictatorship can — under certain conditions! — be far more successful, indeed just as successful as a modern industrial enterprise.

In any case, it seems difficult to deny China’s one-party system and its leadership a sensational historical success. Within a few decades, China catapulted from a bitterly poor agrarian nation to a superpower that threatens to dethrone the previous alpha state, the United States.[1] The secret of this success is as clear as in any well-run enterprise. First, a goal is set; for a company, this is maximum profit. In the case of a country like China, the goal is determined in such a way that the government can count on maxi-mum consent from most of its citizens. This was and is the eradication of poverty and eventually the achievement of Western levels of prosperity and beyond.[1]

Second, the goal must be reached in the shortest possible time and at the lowest cost according to rational criteria. For a company, this approach usually involves the reduction of costs or improved production methods. In China, it is taken for granted to engage scientific experts in overcoming poverty. Development – 发展 (Fa zhan) and science – 科学 (Ke xue) – based on knowledge and skills are the prevailing mantras – fully in line with the Enlightenment. The government’s promise may be summarized in the following way: „We’ll make all of you a bit wealthier every day, but we can only achieve our ambitious task if you follow our instructions to the letter. If you don’t, you are the enemies of progress, and we will eliminate you.“

So far, the Chinese leadership has fulfilled both parts of its promise: a meteoric rise – meticulously planned like that of any successful corporation – and, on the other hand, the ruthless prosecution of all dissenters and dissidents opposing its directives.[1] So long as the first part of the promise is consistently realized, most citizens support the regime, and it can feel sufficiently secure.

Did China endorse and fulfill the Enlightenment’s ideals by not only applying knowledge and skills to corporate management but also to the governance of the state? And if so, why don’t we transfer even in Western states the undemocratic but well-functioning corporate model to the political sphere as it works so well in China – and is, indeed, increasingly emulated by developing countries worldwide? Why not an elite of knowledgeable people, when in democracies there is a risk that the ignorant and demagogues will rise to the top of the state?

It seems that lots of people in Western countries are asking themselves this very question, certainly those in the economic sphere like the many CEOs doing business in Russia or China. There can also be little doubt that the freedom to express one’s opinion on any subject in public is an intellectual luxury that means little or nothing to people living in poverty. They willingly give up this freedom if they can hope for material progress in return.[1]

German history offers a stark example of such voluntary renunciation of freedom. Between 1924 and 1928, the share of votes for the Nazis had decreased from 6.6% to 2.6% – as Germans were gradually experiencing better times. They could afford democracy and freedom of speech. Then, the Great Depression of 1929, which had swept over from America to Europe, hit Germany, undoing in an instant the modest economic recovery of the previous four years. Between May 1928 and September 1930, the number of unemployed skyrocketed from 270,000 to about 1 million. By 1933, it had multiplied to 5.5 million. Desperation drove people to clamor for a savior.[1] The share of Nazi votes surged from 18.3 to 43.9 percent in these three years. The freedom promised by democracy – and largely granted until then – no longer played a role for family men queuing in front of soup kitchens. They were ready to follow any populist who promised them salvation. Democracy had lost.

The same may happen in the United States. There the outsourcing of the past thirty years has caused a significant portion of the working class to drift into precarity.[1] For these people, Donald Trump is a messiah who, like Hitler, Mussolini, and other great seducers, promises them salvation. Furthermore, the contrast between the super-rich power elite and the broader masses is evident not only in income and wealth but also in education and the opportunities it provides. A handful of American universities still rank among the world’s best, but most Americans read less than a single book per year. Donald Trump is a representative of this stratum. Therein lies an acute danger as a minimum level of education is essential for democracy to function.

The state – a moral purpose with technical means

It is particularly crucial to remember that elections are not a method for discovering truth. Rather, they are a method for maintaining order by adjudicating between people’s conflicting desires. Harari

Democracy is based on the understanding that the people is never a unitary entity and therefore cannot possess a single will. Harari

Let me summarize: The attitude of the European Enlightenment toward democracy was ambivalent, depending on whether governance was based on privilege or on knowledge and ability. Privilege was embodied in ruling dynasties that had for centuries stood at the head of states availing themselves of hereditary power. This was unacceptable to all great thinkers of the 18th century. In a democracy, an inept statesman can be voted out, whereas in a dictatorship, removal is only possible after catastrophic defeats or devastating civil wars ….

Notes:

1 Ulrike Herrmann (2022) aptly and only seemingly paradoxically describes the role of unions when she states, „Unions are the saviors of capitalism.“

2 But the economy is not a monolithic entity. While the manufacture of products generally requires a high degree of knowledge and skill, successful trade rather relies on persuasion and psychological influence, i.e. on theatrical talent. In extreme cases, factual competence, can be completely dispensed with. Production and trade are therefore two fundamentally different parts of the economy. Everyone knows in which area Donald Trump was socialized.

3 Ray Dalio: Deng died on February 19, 1997, having transformed China almost beyond recognition. When he came to power, 90 percent of the population lived in extreme poverty; at the time of his death that number had fallen by more than half, and as of the most recent data is below 1 percent. From the start of his reforms in 1978 until his death in 1997, the Chinese economy grew at an average rate of 10 percent a year, sextupling in size while experiencing an average inflation rate of just 8 percent… reserves grew from $4 billion to nearly $150 billion (inflation-adjusted to today’s dollars, its reserves grew by over $250 billion)… Output per person has increased 25 times, the percentage of people living below the poverty line has fallen from 96 percent to less than 1 percent, life expectancy has increased by an average of about 10 years, and the average number of years of education has increased by 80 percent… the number of science, technology, engineering, and math (STEM) graduates that are coming out of college and pursuing tech careers in China is about eight times that in the US.

4 Although extreme poverty has been eliminated at an astonishing pace, “it cannot be ruled out that China’s income inequality, which is the highest in the world, and the sub-proletariat of rural migrant workers living in miserable conditions will develop such political explosive power that it will shake Xi Jinping’s regime, which appears so unshakeable to the outside world” (Münkler 2023).

5 Ray Dalio brings it to the point: When they are in a superior position, the Chinese tend to want a) the relative positions to be clear (i.e., the party in a subordinate position knows that it is in a subordinate position), b) the subordinate party to obey, and c) the subordinate party to know that, if it doesn’t do so, it will be punished. That is the cultural inclination/style of Chinese leadership.

6 Francis Fukuyama is quite outspoken when he states: “A modernizing dictatorship can in principle be far more effective than a democracy in creating the social conditions that would permit both capitalist economic growth and, over time, the emergence of a stable democracy.”

7 And it doesn’t matter whether this messiah has a right-wing or a left-wing hue. Cf. Francis Fukuyama 2018: „Parties of the left have been losing out to nationalists for well over a hundred years, precisely among those poor or working-class constituencies that should have been their most solid base of support.“

8 Fukuyama 2018: “Between 2000 and 2016, half of Americans saw no gains to their real incomes; the proportion of national output going to the top 1 percent went from 9 percent of GDP in 1974 to 24 percent in 2008.”

The Sciences (of Nature) can only be true if their Premises are wrong

Science fulfills an existential purpose. It serves to help us find our way by recognizing regularity – and hence predictability – in the events surrounding us. The need for such regularity and predictability dominates us to such a degree that we even invent it when we cannot discern it within the things themselves. People in earlier times believed that spirits and gods caused volcanoes to erupt, and droughts or diseases to occur, or that sacrifices and prayers could persuade them to avert such evils. That is, they invented a fictious causality being unable to recognize true causes. The objectively existing order of nature was understood only to the extent that was essential for the survival of the species: hunting animals or growing plants required a careful understanding of existing natural laws. Only since the Enlightenment und subsequent Industrial Revolution did humanity move beyond this elementary stage, but then this happened at a very rapid pace. Science is now capable of artificially creating new life forms in the laboratory and fundamentally altering existing ones with the help of genetic manipulation. Human voyages to distant planets, which were previously only conjured up in fairy tales and myths, have turned into a real possibilities.

No longer does the modern Moses receive the book of laws from the hands of God. He himself has one by one deciphered nature’s regularities. In principle, there seems to be no limit to this path of discovering ever new laws, because nature itself is in constant evolution. Science thus becomes the only worldview that allows for an infinite extension of verifiable knowledge. At the height of scientific optimism in the 17th to 19th centuries, it was even assumed that humans only needed to explore reality long and deeply enough to recognize all events in nature as determined by laws. The French mathematician Simon de la Place even found a final formula for this conviction. „An intelligence,“ he said, „that at a given moment comprehended all the forces that govern nature and, moreover, the respective position of the elements of which it is composed, would – provided it were large enough to subject all these data to analysis – equally comprehend in a single formula the movements of the largest bodies in the universe and those of the smallest atoms: nothing would be uncertain for it. To it the future and the past would be clearly visible“ (Laplace 1886, vol. VII, p. VIS.VI). According to this classic formula, there can be no effects among specific phenomena that do not follow from equally specific causes. The definition of scientific progress therefore assumes that over time human knowledge will uncover more and more laws, so that at the end of this process, nothing will remain “uncertain”, because nothing will escape predictability and controllability.

This optimistic belief in the complete predictability of nature was first shaken by the discoveries of quantum physics at the beginning of the 20th century. At that time, chance was discovered and is, in our time, praised by the Austrian Nobel Prize winner Anton Zeilinger as the greatest invention of modern times. In the subatomic realm, research was confronted with phenomena in which a specific effect, such as the decay of a radium atom, obviously had no specific cause. In the quantum realm, an effect is no longer “determined” by preceding or accompanying causes. That is precisely why it is called a “random” phenomenon.

This discovery represented such a tremendous break with the “deterministic” worldview that until then had been the official creed that some of the greatest physicists – Albert Einstein, for example – did not want to accept it. Einstein insisted that “God does not play dice.” How did he know that for sure? Einstein could insist that the innovators from the field of quantum mechanics were claiming far more than they could prove. Existing relationships between cause and effect can be proven, but how can one prove that something does not exist? Quantum physics did not have to contradict classical physics at all. Indeed, Heisenberg himself had clearly recognized this fact: “Logically speaking, it is entirely possible to search for the emission of an alpha particle after some … /preceding/ process, i.e., for a cause as in classical physics. We refrain from so doing only because we would then have to know the microscopic state of the entire world … and that is certainly impossible” (Heisenberg 1959, 69). In order to explain why a radium atom emits an alpha particle at this particular moment, we would have to know the current state of the entire world, which is impossible for human intelligence. However, an infinite intelligence with comprehensive insight would still be able to maintain a deterministic worldview. Where is the difference to Laplace?

Let’s go back to our initial statement. Human intelligence is driven by needs – the need for a reality that is predictable and controllable is certainly one of the most powerful of all, because we could not survive in a world of chaos where all predictability and controllability has vanished. The idea of a fundamentally orderly world is therefore as old as mankind’s oldest myths and as young as the triumph of modern science. In my perspective this explains why science, in its most powerful impulse, that is in its search for objective truth, has until now applied this endeavor only to external things but not to itself. The moment it would take this step as well, it is logically forced to radically rethink its position. It then realizes that chance does not have to be discovered by quantum physics and be praised as the most momentous insight of the twentieth century, as Anton Zeilinger claims. Rather, the existence of chance has always been nothing less than a logical precondition for science. Science can only be true if the denial of chance is wrong.

For what reason did man seek laws, those, for instance, that trigger a cluster of lawful processes that safely ignite a rocket and then steer it to Mars, or the processes that cause a bomb to explode, or even simply set a car in motion as soon as the accelerator is pressed? In all these and countless other cases, it is his aim to set in motion a strictly and usually perfectly predictable sequence of events by means of a decision that for its part must be strictly unpredictable.Knowledge of the deterministic sequence only makes sense to us if we can set it in motion at any time and in any place, i.e., in a strictly indeterministic manner. When I myself or any one of trillions of people press the accelerator, or when a politician activates the red button that sets a ballistic missile in motion, this triggering action eludes all calculation – the event is outside the laws of nature. There exists no natural law relationship between the triggering action (pressing the red button or the gas pedal) and the subsequent lawful sequence of events. One is determined; the other is not. It is, therefore, not a matter of distinguishing between “hard” and (more or less) “soft” determinism. The logic of science allows us only one choice: to place chance as a second ontological dimension of reality, on an equal footing with natural laws. The latter only make sense and have a purpose for humans if the assumption of a completely determined world proves to be fundamentally wrong.

However, in the world around us, we cannot recognize chance in the same way as laws. For how can we prove it – i.e. the absence of any regular and predictable relationship between things? There always remains the possibility described by Heisenberg that the state of the entire world could well explain why an alpha particle is emitted from a radium atom at this very moment. This theoretical possibility science can neither prove nor disprove. We can recognize the existence of chance in a provable way only in our own dealings with things. I mentioned activating a red button that sets a rocket in motion, or pressing a gas pedal that sets a vehicle going. Of course, every person who performs such an act is influenced by certain motives or habits. However, these motives cancel each other out because the events in question may at any time and in any place be set arbitrarily in motion. Even though for each acting person, such triggering of determined sequences never presents itself to him as random: he has something in mind and wants to achieve something. But his thinking and willing can take on an infinite number of forms and contents. If we generalize the actions of all individuals, there is no lawful relationship between the two. At this point – that is with our intervention in reality – chance becomes the best-proven fact of all.

If it is true that we explore deterministic processes with the purpose of being able to execute them in an indeterminate manner at any time and in any place *1*, then the question inevitably arises as to why even the greatest scientists have suppressed or rejected this insight, even though it strictly follows from the logic of science that is from its sense and its purpose for human beings? I explain this with two very different reasons, one very effective indeed but nevertheless superficial, and a second that goes deeper. On the surface, there has always been a strong tendency among experts, especially when their knowledge requires years of study, as is the case in physics in general and quantum physics in particular, to ignore objections that come from outside their field of expertise and are moreover accessible to any intelligent layperson. Experts tend to claim a monopoly on all statements concerning their field of knowledge, even if the logical basis of such statements – unlike specific findings about definite phenomena of nature – is equally accessible to all people, since it underlies thinking itself. But a more profound reason undoubtedly lies in the fact, already mentioned, that human intelligence is always controlled by feelings and needs. Science wants to further and further extend the net of human domination over nature and even man. But in accepting chance as a second dimension of reality alongside natural laws, it is forced to admit from the outset that this domination will always remain limited and ultimately precarious. Even if its endeavors provide us with more and more devices to change parts of reality in a strictly predictable manner, we will never be able to apply this calculation to reality as a whole. We will never know what the totality of such selective changes will make reality look like tomorrow, let alone in a hundred years.

And we are even forced to make further concessions. No, not to the fantasies of myth or esotericism, both of which falsely assume that they possess positive knowledge, which in reality they do not have. Rather, it is science itself that, despite its immense success, must recognize its limitations. For it can never offer us more than the discovery of isolated lawful connections. It is those isolated strands of lawfulness that science determines within the total field of phenomena surrounding us – a field about which it can never say, on the basis of empirical observation, where laws end and chance begins. No scientist has ever been able to see the total field of phenomena, let alone make any judgement about it. Since empirically we can neither prove nor disprove the point, it is quite possible that most coexisting or successive events are as unconnected to each other as my thoughts and those of my neighbor are in the human realm.

This proves the first basic assumption of modern science to be wrong. The basic assumption of an infinite intelligence, for which chance would not exist, must be false, if science is to have any sense and purpose for humans. Classical physics had simply denied chance, and so did Albert Einstein. Heisenberg relativizes it with the argument that we could very well recognize a continuous lawfulness even in quantum events provided our intelligence were capable of grasping the state of the world as a whole. The statements by Laplace and Heisenberg with regard to infinite intelligence remain purely speculative; in other words, they confidently disregard everything that can be empirically proven. Alternatively, we may also formulate that science only makes sense if freedom exists as a second ontological dimension alongside necessity. Alternatively, we can also say that science only makes sense if freedom exists as a second ontological dimension alongside necessity.

We must reject a second basic assumption too. Although our potential knowledge of the world is infinite in scope, it is wrong to assume that this knowledge can eliminate our fundamental ignorance. Chance, that is fundamental ignorance, is just as boundless – and this ignorance, like chance itself, cannot be eliminated. In contrast to all knowledge, which always has positive content, chance (which we refer to as freedom in humans) has no content whatsoever; it is pure negation or the absence of all knowledge. In this case the error of science lies in the assumption that all human ignorance can and will fundamentally be replaced by knowledge. Karl Popper, the great Austrian philosopher, also doubted the existence of episteme, or definitive knowledge about reality (1980, 317). But he did not name the reason for this impossibility. It is chance, as an ontological dimension of the same infinite extension as natural law, that fundamentally prohibits such episteme.

This opens up a transformed worldview that is, of course, by no means anti-scientific, for there is hardly a better proven fact than that every further discovery of natural laws demonstrably expands our empirical knowledge and our partial dominion over nature. But we must now accept that the desires and will of living beings are also among the driving forces that have shaped future since the beginning of history and will continue to do so in unpredictable ways. This exposes a third basic assumption of modern science as false. The course of the world (evolution) cannot be explained exclusively by the action of impersonal forces (laws of nature), but is also based on purely subjective factors – namely the will and desires of living beings, which may or may not trigger predictable sequences of events. The third fundamental error of science is therefore the assumption that we can explain reality solely with the help of objective, impersonal laws.*2*

In other words, following the logic of science and its claim to truth, we must commit ourselves to a supra-scientific worldview that includes chance and freedom, will and desire as dimensions of empirical knowledge. The worldview of science is only correct if we declare the three basic assumptions just mentioned to be wrong.

Finally, it should be noted that a supra-scientific worldview opens up perspectives that have been frowned upon by serious scientists for three centuries. As is well known, the Enlightenment thinkers mocked miracles that, according to religious belief, may at any time interrupt the course of normal events if God thus decrees. Obviously, no one has ever been able to prove that a natural process such as the evaporation of water at 100 degrees Celsius suddenly ceases to apply because a human being, a spirit, or a divine being decides so. The mockery of such claims by the natural sciences seems as justified today as it was three centuries ago. But if we define miracles in a way that is consistent with the logic of science, namely as the possibility of phenomena that are due to chance, which we cannot foresee, let alone calculate in advance, then the world has always been full of miracles and will remain so. And we must also admit – along with William James, the great scientist and philosopher who discussed this topic in his seminal work about The Varieties of Religious Experience – that religion – like any other worldview – is one of the forces that change reality, insofar as it shapes human desires and will. This is an empirical fact that exists quite independently of belief in supernatural powers.

*1* The laws that the Babylonians observed in the movements of the planets are only an apparent exception. According to the beliefs of the time, these movements determined people’s actions and character. It was therefore necessary to know them in order to plan one’s own actions correctly. In this context, the statement of an outstanding physicist deserves special attention. More than a century ago, Ludwig Boltzmann justified the truth of the scientific worldview with its practical success. „It is not logic, not philosophy, not metaphysics that ultimately decides whether something is true or false, but action. That is why I do not consider the achievements of technology to be incidental by-products of science; I consider them to be logical proofs. If we had not achieved these practical achievements, we would not know how to conclude. Only conclusions that have practical success are correct“ (1990). Practical success explains why the ideas of the Babylonians are no longer valid and why modern science has conquered the entire globe.

*2* Popper clearly saw that evolution cannot be explained by impersonal causality alone. „Through its actions and inclinations, the living being contributes in part to creating the conditions for the selection pressure that acts on it and its offspring. In this way, it can actively influence the direction that evolution will take (p. 180) … We do not have to assume that these inclinations are conscious. But they can very well become conscious; first of all, I suspect, in the form of states of well-being or suffering“ (Popper, 1980; p. 179).

Die Wissenschaften (der Natur) sind nur wahr, wenn ihre Voraussetzungen falsch sind

Wissenschaft erfüllt einen existenziellen Zweck. Sie dient dazu, uns in der Welt zurechtzufinden, indem sie die Berechenbarkeit – das Regelmaß – in den uns umgebenden Geschehnissen erkennt. Das Bedürfnis nach solchem Regelmaß und solcher Berechenbarkeit beherrscht uns so sehr, dass wir es sogar frei erfinden, wenn wir es aus den Dingen selbst nicht ablesen können. Menschen früherer Zeiten glaubten, dass Geister und Götter Vulkane ausbrechen ließen, Dürren oder Krankheiten verursachten oder dass man sie durch Opfer und Gebete dazu bewegen konnte, solche Übel auch wieder abzuwenden. Das war erfundene Kausalität. Früher wusste man vergleichsweise wenig von den objektiv bestehenden Ordnungen der der Natur. Diese wurden gerade so weit durchschaut, wie das für das Überleben der Art unerlässlich war. Wie man Tiere erbeutet oder Pflanzen züchtet, bedurfte der sorgfältigen Erkenntnis bestehender Naturgesetze. Über dieses elementare Stadium ist die Menschheit erst seit der Industriellen Revolution, dann aber in stetig beschleunigtem Tempo hinausgelangt. Inzwischen ist Wissenschaft in der Lage, neue Lebewesen im Labor künstlich herzustellen und bestehende mit Hilfe genetischer Manipulation grundlegend zu verändern. Ausflüge des Menschen zu fernen Planeten, die vordem allenfalls in Märchen und Mythen beschworen wurden, gehören heute zu den realen Optionen.

Der moderne Moses empfängt das Buch der Gesetze nicht länger aus den Händen Gottes. Er selbst hat die Regelmäßigkeiten der Natur eine nach der anderen entschlüsselt. Eine Grenze auf diesem Weg der Entdeckung immer neuer Gesetzmäßigkeiten scheint es prinzipiell nicht zu geben, weil die Natur selbst in steter Entwicklung ist. Wissenschaft wird damit zur einzigen Weltanschauung, die eine unendliche Extension erlaubt. Am Höhepunkt des Wissenschaftsoptimismus – im 18. bis 19. Jahrhundert – ging man daher auch von dem Grundsatz aus, dass der Mensch die Wirklichkeit nur lange und tief genug erforschen müsse, um sämtliches Geschehen in der Natur als gesetzmäßig zu durchschauen. Der „Satz vom Grunde“ verlieh dieser Auffassung den philosophischen Namen und der französische Mathematiker Simon de la Place fand dafür die abschließende Formel. „Eine Intelligenz, die in einem bestimmten Moment alle Kräfte erfasste, welche die Natur beherrschen, und darüber hinaus die respektive Lage der Elemente, aus denen sie besteht, würde – vorausgesetzt, dass sie groß genug wäre, um alle diese Daten der Analyse zu unterwerfen – in einer einzigen Formel die Bewegungen der größten Körper des Universums und die der kleinsten Atome gleichermaßen erfassen: nichts wäre ungewiss für sie. Zukunft und Vergangenheit würden ihr deutlich vor Augen stehen“ (Laplace 1886, Bd. VII, S. VI). Gemäß dieser Formel der klassischen Physik kann es unter den Erscheinungen dieser Welt keine Wirkungen geben, die nicht auf ganz bestimmte Ursachen folgen. Die Definition des wissenschaftlichen Fortschritts lief demnach darauf hinaus, dass menschliche Erkenntnis mit der Zeit immer mehr Gesetze erschließen würde, sodass am Ende dieses Prozesses für den Menschen nichts mehr „ungewiss“ sei, weil nichts sich seiner Berechnung und Beherrschung entzieht.

Die optimistische Gewissheit von einer prinzipiell vollständigen Berechenbarkeit der Natur wurde zum ersten Mal durch die Erkenntnisse der Quantenphysik zu Beginn des 20. Jahrhunderts erschüttert. Damalsglaubte die Wissenschaft selbst – die Königsdisziplin der Physik – den Zufall entdeckt zu haben. Kein Geringerer als der österreichische Nobelpreisträger Anton Zeilinger hat dies denn auch als die größte Erfindung des vergangnen Jahrhunderts gepriesen. Im subatomaren Bereich wurde die Forschung mit Erscheinungen konfrontiert, bei denen einer bestimmten Wirkung wie der Ausstrahlung eines Alphateilchens beim Zerfall eines Radiumatoms keine bestimmte Ursache entspricht. Im Quantenbereich ist eine Wirkung nicht länger durch eine vorausgehende oder durch begleitende Ursachen „determiniert“. Eben deshalb wird sie „zufällig“ genannt.

Dies stellte einen so ungeheuren Bruch mit dem bis dahin bestehenden „deterministischen“ Weltbild dar, dass einige der größten Physiker – Albert Einstein zum Beispiel – ihn nicht vollziehen wollten. Einstein beharrte darauf, dass „Gott nicht würfelt“. Woher wusste er das so genau? Einstein konnte darauf pochen, dass die Neuerer aus dem Lager der Quantenmechanik weit mehr behaupten, als sie beweisen können. Bestehende Beziehungen zwischen Ursache und Wirkung lassen sich nachweisen, aber wie will man beweisen, dass etwas nicht vorhanden ist? Die Physik der Quanten musste gar nicht in Widerspruch zur klassischen Physik geraten. Das hatte schon Heisenberg klar erkannt: „Logisch ist es durchaus möglich, nach einem solchen … /vorangehenden/ Vorgang/ für die Emission eines Alphateilchens/ zu suchen, also nach einer Ursache wie in der klassischen Physik. Wir tun dies nur deswegen nicht, weil wir dazu den mikroskopischen Zustand der ganzen Welt /kennen müssten/… und das ist sicher unmöglich“ (Heisenberg 1959, 69). Um zu begründen, warum ein Radiumatom gerade in diesem Moment ein Alphateilchen aussendet, müssten wir den Zustand der ganzen Welt erkennen, das aber ist der menschlichen Intelligenz unmöglich. Eine unendliche Intelligenz, die einen umfassenden Einblick besitzt, könnte aber sehr wohl bei einem deterministischen Weltbild verharren. Wo liegt da der Unterschied zu Laplace?

Gehen wir zurück zu unserer anfänglichen Feststellung. Menschliche Intelligenz wird von Bedürfnissen gesteuert – das Bedürfnis nach einer für den Menschen berechen- und beherrschbaren Wirklichkeit ist gewiss eines der mächtigsten überhaupt, denn in einer Welt des Chaos, wo alle Berechen- und Beherrschbarkeit endet, könnten wir nicht existieren. Die Vorstellung von einer durchgehend geordneten Welt ist daher so alt wie der Mythos, und sie bleibt so jung wie der Triumph der modernen Wissenschaften. Nur so ist zu erklären, dass die Wissenschaft ihren mächtigsten Impuls, die Suche nach einer objektiven, unabhängig von uns selbst bestehenden Wahrheit, bis in unsere Zeit nur auf die äußeren Dinge bezieht, nicht aber auf sich selbst. Im gleichen Moment, wo sie diesen zweiten Schritt vollzöge, wäre sie allerdings zu einem radikalen Umdenken gezwungen. Dann müsste sie nämlich erkennen, dass der Zufall nicht erst entdeckt werden muss, um damit zur bedeutendsten Erkenntnis des zwanzigsten Jahrhunderts aufzurücken, wie Anton Zeilinger behauptet. Vielmehr wird seine Existenz von der Wissenschaft immer schon notwendig vorausgesetzt – er muss vorausgesetzt werden. Denn Wissenschaft ist nur wahr, wenn die Leugnung des Zufalls falsch ist.

Wozu hat der Mensch nach Gesetzen gesucht, z.B. nach jenen, welche die Gesamtheit der gesetzmäßigen Vorgänge auslösen, die eine Rakete sicher zünden und anschließend zum Mars hinlenken, oder die Vorgänge, welche die Explosion einer Bombe bewirken oder auch schlicht einen Wagen in Bewegung setzen, sobald ein Gashebel gedrückt wird? In all diesen und unzählig vielen anderen Fällen geht es uns darum, eine strikt und gewöhnlich perfekt berechenbare Sequenz von Ereignissen mit einem Entschluss in Gang zu bringen, der selbst strikt unberechenbar istDenn das Wissen um die deterministische Sequenz hat für uns nur dann einen Sinn, wenn wir sie zu jeder beliebigen Zeit an beliebigem Ort, also auf strikt indeterministische Art in Bewegung zu setzen vermögen. Wenn ich selbst oder irgendeiner von Milliarden Menschen auf den Gashebel drückt, wenn ein Politiker den roten Knopf drücken lässt, der eine ballistische Rakete in Bewegung, dann entzieht sich diese auslösende Tat aller Berechnung – das Ereignis steht außerhalb der Naturgesetze. Es gibt keine naturgesetzhafte Beziehung zwischen der auslösenden Tat (dem Druck auf den roten Knopf oder den Gashebel) und dem darauffolgenden gesetzhaften Ablauf. Das eine ist determiniert, das andere nicht. Daher kann es sich auch nicht darum handeln, einen „harten“ von einem (mehr oder weniger) „weichen“ Determinismus zu unterscheiden. Die Logik der Wissenschaft lässt uns nur die einzige Wahl, den Zufall als zweite Dimension in der uns umgebenden Wirklichkeit gleichrangig neben die Gesetze zu stellen. Letztere ergeben für den Menschen nur dann Sinn und Zweck, wenn die Voraussetzung einer restlos determinierten Welt notwendig und daher grundsätzlich falsch ist.

In der uns umgebenden Welt können wir den Zufall allerdings nicht so erkennen wie die Gesetze. Denn wie sollen wir den Zufall beweisen – die Abwesenheit jeder Beziehung zwischen den Dingen? Immer bleibt die von Heisenberg beschriebene Möglichkeit, dass der Zustand der ganzen Welt uns sehr wohl zu erklären vermöchte, warum ein Alphateilchen gerade in diesem Moment von einem Radiumatom ausgestrahlt wird. Diese theoretische Möglichkeit kann eine empirische Wissenschaft weder beweisen noch widerlegen. Die Existenz des Zufalls erkennen wir auf beweisbare Art nur im Vollzug unseres eigenen Umgangs mit den Dingen. Ich erwähnte den Druck auf einen roten Knopf, der eine Rakete in Bewegung setzt, oder den auf einen Gashebel, der ein Fahrzeug in Gang bringt. Natürlich steht jeder Mensch, der einen solchen Akt vollzieht, seinerseits unter dem Einfluss bestimmter Motive. Die heben sich aber gegenseitig angesichts der Tatsache auf, dass die betreffenden Ereignisse willkürlich zu jeder beliebigen Zeit an jedem beliebigen Ort in Bewegung gesetzt werden können. Für jeden Handelnden sind derartige Auslösungen determinierter Sequenzen zwar niemals zufällig – wir denken uns etwas dabei und wollen etwas bezwecken. Aber dieses Denken und Wollen kann unendlich viele Formen und Inhalte annehmen. Generalisiert man das Tun aller Einzelnen, dann gibt es keinen gesetzhaften Bezug. An diesem Punkt – bei unserem Eingreifen in die Wirklichkeit – wird der Zufall zu der am besten bewiesenen empirischen Tatsache überhaupt.

Das aber stellt uns vor ein schwieriges Problem. Wenn es stimmt, dass wir determinierte Vorgänge nur deshalb erkunden, um sie auf indeterminierte Weise zu beliebiger Zeit an beliebigen Orten ausführen zu können *1*, dann wird die Frage unabweisbar, warum selbst die größten Naturwissenschaftler diese Einsicht verdrängten oder verwarfen, obwohl sie doch aus der Logik der Wissenschaft zwingend hervorgeht?

Ich erkläre dies mit zwei durchaus verschiedenen Gründen, einem oberflächlichen, wenn auch sehr wirksamen, und einem zweiten, der in größere Tiefen reicht. Oberflächlich bestand immer schon eine starke Tendenz unter Experten, zumal wenn ihr Wissen wie etwa in der Quantenphysik jahrelange Studien erfordert, auf Einwände nicht einmal zu hören, die von außerhalb ihres Gebietes kommen und sich noch dazu jedem Laien erschließen. Experten neigen dazu, ein Monopol für alle Aussagen zu beanspruchen, die ihr Wissensgebiet betreffen, auch wenn die logische Basis solcher Aussagen – anders als die spezifischen Erkenntnisse über bestimmte Erscheinungen der Natur – allen Menschen gleichermaßen zugänglich ist, da sie dem Denken selbst zugrunde liegt. 

Das ist der eine, der eher oberflächliche Grund. Ein tieferer liegt zweifellos in der schon mehrfach angesprochenen Tatsache, dass auch unsere Intelligenz immer von Gefühlen und Bedürfnissen gesteuert bleibt. Die Wissenschaft will das Netz menschlicher Herrschaft über Natur und Mensch weiter und weiter spannen. Wenn sie aber neben den Gesetzen den Zufall als zweite Dimension des Wirklichen akzeptiert, dann sieht sie sich zu dem Eingeständnis genötigt, dass diese Herrschhaft immer begrenzt und letztlich prekär bleiben wird. Auch wenn Wissenschaft und Technik uns mehr und mehr Apparate liefern, um auf strikt berechenbare Art punktuell auf die Wirklichkeit einzuwirken, so werden wir doch niemals imstande sein, diese Berechnung auf die Wirklichkeit insgesamt zu übertragen. Wie die Gesamtheit solcher punktueller Veränderungen die Wirklichkeit von morgen oder gar nach hundert Jahren aussehen lässt, das werden wir niemals wissen.

Und wir sind sogar zu weiteren Zugeständnissen genötigt. Nein, nicht zu solchen des Mythos oder gar der Esoterik, die beide zu Unrecht darauf pochen, im Besitz eines positiven Wissens zu sein, über das sie in Wahrheit durchaus nicht verfügen. Es ist die Wissenschaft selbst, die sich trotz ihres immensen Erfolgs zur Bescheidenheit genötigt sieht, denn sie kann uns nie mehr liefern als die Aufdeckung gesetzmäßiger Zusammenhänge zwischen konkreten Einzelerscheinungen. Es sind immer nur isolierte Stränge von Gesetzhaftigkeit, welche die Wissenschaft in einem unendlichen Feld von Erscheinungen ermittelt, von denen sie aufgrund empirischer Beobachtung niemals zu sagen vermag, ob sie nicht rein zufällig koexistieren. Nie hat ein Wissenschaftler die Gesamtheit aller Erscheinungen im Blick haben können oder gar ihre gesetzmäßige Verbindung zu beweisen vermocht. Da wir es weder beweisen noch widerlegen können, ist es sehr wohl möglich, dass die meisten koexistenten oder aufeinander folgenden Ereignisse so unverbunden nebeneinander stehen wie im menschlichen Bereich meine Gedanken und die meines Nachbarn.

Damit erweist sich die erste Grundannahme der modernen Wissenschaften als falsch. Die Grundannahme einer unendlichen Intelligenz, für die es den Zufall nicht geben würde, verträgt sich nicht mit einer Logik der Wissenschaften, die Sinn und Zweck für den Menschen hat. Die klassische Physik hat zusammen mit Albert Einstein den Zufall überhaupt geleugnet oder ihn mit Heisenberg aufgrund des Arguments relativiert, dass wir eine durchgehende Gesetzmäßigkeit sehr wohl erkennen könnten, wäre unsere Intelligenz nur in der Lage, den Zustand der Welt insgesamt zu erfassen. Die Aussagen von Laplace und Heisenberg im Hinblick auf eine unendliche Intelligenz sind aber rein spekulativ, anders gesagt, setzen sie sich souverän über alles empirisch Beweisbare hinweg. Alternativ können wir auch formulieren, dass Wissenschaft nur dann einen Sinn ergibt, wenn Freiheit neben der Notwendigkeit als zweite ontologische Dimension existiert.

Eine zweite Grundannahme müssen wir gleichfalls als falsch ablehnen. Das mögliche Wissen über die Welt ist zwar von unendlicher Extension, aber es ist falsch, dass wir damit unser grundsätzliches Unwissen aufheben. Der Zufall und damit unser prinzipielles Unwissen ist ebenso grenzenlos – und dieses Unwissen ist wie der Zufall selbst unaufhebbar. Im Gegensatz zu allem Wissen, das immer einen positiven Inhalt besitzt, hat der Zufall (den wir beim Menschen als Freiheit bezeichnen) keinerlei naturgesetzlichen Inhalt. So gesehen ist er reine Negation oder Abwesenheit allen Wissen. Die Annahme, dass alles menschliche Unwissen grundsätzlich durch Wissen ersetzt werden kann, ist mehr als eine Illusion – sie ist nachweisbar falsch. Auch Karl Popper, der große österreichische Philosoph, zweifelte an einer Episteme, einem abschließenden Wissen über die Wirklichkeit (1980, 317). Aber den Grund dafür hat er nicht benannt. Es ist der Zufall als eine ontologische Dimension von der gleichen unendlichen Extension wie das Gesetz, dann eine solche Episteme grundsätzlich verbietet.

Damit eröffnet sich eine verwandelte Weltanschauung, die nicht etwa antiwissenschaftlich ist. Es existiert ja kaum eine besser bewiesene Tatsache als die, dass jede weitere Entdeckung von Naturgesetzen unser empirisches Wissen und unsere partielle Herrschaft über die Natur erweitert. Doch müssen wir nun akzeptieren, dass auch das Wünschen und Wollen lebender Wesen zu den Triebkräften gehören, welche seit Beginn der Geschichte Zukunft gestaltet haben und weiter gestalten werden, und zwar auf unberechenbare Art und Weise. Damit entlarven wir eine dritte Grundannahme der modernen Wissenschaften als falsch. Der Gang der Welt (die Evolution) lässt sich nicht ausschließlich durch das Wirken unpersönlicher Kräfte (Naturgesetze) erklären, sondern es liegen ihm ebenso rein subjektive Faktoren zugrunde – eben das Wollen und Wünschen lebender Wesen, welche berechenbare Ereignissequenzen auslösen können oder auch nicht. Der dritte Grundirrtum der Wissenschaften besteht demnach in der Annahme, dass wir die Wirklichkeit allein mit Hilfe objektiver, unpersönlicher Gesetze zu erklären vermögen. *2*

Anders gesagt, müssen wir uns – der Logik der Wissenschaften und ihres Wahrheitsanspruchs folgend – zu einem überwissenschaftlichen Weltbild bekennen, worin Zufall und Freiheit, Wollen und Wünschen als Gegenstand der empirischen Erkenntnis eine gleichrangige Bedeutung aufweisen. Das Weltbild der Wissenschaften ist nur dann korrekt, wenn wir die drei genannten Grundannahmen als falsch deklarieren.

Zum Schluss sei noch angemerkt, dass ein überwissenschaftliches Weltbild Ausblicke eröffnet, die unter „seriösen“ Wissenschaftlern seit drei Jahrhunderten auf entschiedene Ablehnung stoßen. Der Spott der Aufklärer hat bekanntlich den Wundern gegolten, die nach religiöser Vorstellung den Gang des Geschehens jederzeit zu durchbrechen vermögen. Nun hat zwar niemand beweisen können, dass ein gesetzmäßiger Vorgang wie z.B. das Verdampfen von Wasser bei hundert Grad plötzlich nicht mehr in Geltung ist, wenn ein Mensch, ein Geist oder ein göttliches Wesen das so beschließt. Der Spott der Wissenschaften an solchen Behauptungen erscheint heute so berechtigt wie damals. Aber wenn wir das Wunder so definieren, dass es mit der Logik der Wissenschaften in Einklang bleibt, nämlich als die Möglichkeit von Erscheinungen, die einem Zufall geschuldet sind, den wir nicht voraussehen, geschweige denn vorausberechnen können, dann war die Welt schon immer voller Wunder und wird es auch bleiben. Und zusammen mit dem großen amerikanischen Denker William James, der davon in seinem richtungsweisenden Werk The Varieties of Religious Experience ausgiebig handelt, sind wir zu der Einsicht genötigt, dass Religion – wie jede andere Weltanschauung – zu den die Wirklichkeit verändernden Kräften gehört, sofern sie menschliches Wünschen und Wollen prägt. Das ist eine empirische Tatsache, die ganz unabhängig vom Glauben an überweltliche Mächte besteht.

*1* Die Gesetze, welche die Babylonier an den Bewegungen der Planeten beobachteten, bilden da nur eine scheinbare Ausnahme. Nach damaliger Auffassung bestimmten diese Bewegungen das Handeln und den Charakter der Menschen. Man musste sie daher kennen, um die eigenen Handlungen richtig zu planen. In diesem Zusammenhang verdient die Aussage eines herausragenden Physikers besondere Beachtung. Vor mehr als einem Jahrhundert hat Ludwig Boltzmann die Wahrheit der wissenschaftlichen Weltsicht mit ihrem praktischen Erfolg begründet. „Nicht die Logik, nicht die Philosophie, nicht die Metaphysik entscheidet in letzter Instanz, ob etwas wahr oder falsch ist, sondern die Tat. Darum halte ich die Errungenschaften der Technik nicht für nebensächliche Abfälle der Naturwissenschaft, ich halte sie für logische Beweise. Hätten wir diese praktischen Errungenschaften nicht erzielt, so wüssten wir nicht, wie man schließen muss. Nur solche Schlüsse, welche praktischen Erfolg haben, sind richtig“ (1990). Der praktische Erfolg erklärt, warum die Vorstellungen der Babylonier inzwischen nichts mehr gelten und die moderne Naturwissenschaft den ganzen Globus eroberte.

*2* Popper hat sehr wohl gesehen, dass die Evolution mit unpersönlicher Kausalität allein nicht zu erklären ist. „Aufgrund seiner Handlungen und Neigungen, trägt das Lebewesen teilweise dazu bei, die Bedingungen für den Selektionsdruck herzustellen, der auf ihn und seine Nachkommen einwirkt. Auf diese Weise vermag er aktiv auf die Richtung Einfluss zu nehmen, welche die Evolution einschlagen wird S. 180) … Wir müssen nicht davon ausgehen, dass diese Neigungen bewußter Art sind. Aber sie können sehr wohl bewusst werden; zunächst einmal, wie ich vermute, nach Art von Zuständen des Wohlseins oder des Leidens“ (Popper, 1980; S. 179).

Blaming Germanist

Around the beginning of the last century, in 1909, when German science could still boast a world-class reputation, the great American William James expressed himself in a rather unflattering way about the German professor in a lecture titled „A Pluralistic Universe“:

“In Germany the forms are so professionalized that anybody who has gained a teaching chair and written a book, however distorted and eccentric, has the legal right to figure forever in the history of the subject like a fly in amber. All later comers have the duty of quoting him and measuring their opinions with his opinion. Such are the rules of the professorial game – they think and write from each other and for each other and at each other exclusively” (my emphasis).

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Germanistenschelte

Gegen Anfang des vergangenen Jahrhunderts, im Jahre 1909, als deutsche Wissenschaft sich noch ihres Weltrufs rühmen durfte, äußerte sich William James, der große Amerikaner, in einer Vorlesung mit dem Titel „A pluralistic Universe“ auf folgende wenig schmeichelhafte Art über den deutschen Professor:
“In Germany the forms are so professionalized that anybody who has gained a teaching chair and written a book, however distorted and eccentric, has the legal right to figure forever in the history of the subject like a fly in amber. All later comers have the duty of quoting him and measuring their opinions with his opinion. Such are the rules of the professorial game – they think and write from each other and for each other and at each other exclusively” (meine Hervorh.). Germanistenschelte weiterlesen

One! World – Critique of Populist Irrationality

As human beings, we strive for self-determination – freedom is the word that sums up this aspiration. Uniformity, blending into the crowd, indistinguishability, dependence on others – these are the terms that describe the opposite of personal freedom and independence. Anyone who wants to make us all the same is met with fundamental outrage; they want to violate our basic human rights.

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Eine! Welt – Kritik der populistischen Unvernunft

Als Menschen streben wir nach Selbstbestimmung – Freiheit ist das Wort, womit dieses Bestreben auf den Begriff gebracht wird. Uniformität, Aufgehen in der Masse, Ununterscheidbarkeit, Abhängigkeit von anderen – das sind die Begriffe, die den Gegensatz zur persönlichen Freiheit und Unabhängigkeit beschreiben. Wer uns gleichmachen will, der stößt auf elementare Empörung, der will uns in unseren elementaren Menschenrechten verletzen.

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The Excursion to Kawabata

A fine mist hovers over the water, its vapours occasionally blurring the outlines of the mountains. Yet it is the heads that dominate the foreground, bobbing in the warm — sometimes even scalding — mountain lake of Kawabata, which the locals call an Onsen, a hot spring. But the water is of no concern to us, nor are the jagged peaks encircling it, which the effusive travel brochure simply labels „enchanting.“ No, what captivates our attention are the disembodied heads protruding above the steaming surface of the lake, the spirit hovering over the waters. Seven heads — true giants of their era, the greatest minds to grace the species that then inhabited the globe.

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Der Ausflug nach Kawabata

Ein feiner Nebel schwebt über dem Wasser, manchmal lassen seine Schwaden die Umrisse der Berge verschwimmen. Es sind die Köpfe, die den Vordergrund bilden, hier im warmen, stellenweise sogar heißen Gebirgssee von Kawabata, den die Einheimischen „Onsen“ nennen, d.h. warme Quelle. Aber das Wasser geht uns nichts an, auch nicht die umliegenden vielfach gezackten Berge, welche der sie lobende Reiseprospekt schlicht mit dem Prädikat „bezaubernd“ versieht. Es sind die eben über die dampfende Oberfläche des Sees hinausragenden rumpflosen Köpfe, es ist der über den Wassern schwebende Geist, der unsere Aufmerksamkeit bannt. Der Ausflug nach Kawabata weiterlesen

Lasst sie Wonnewabern!

Es scheint höchste Zeit, dem Begriff des Wonnewaberns und seinen verderblichen Auswirkungen besondere Aufmerksamkeit zu widmen, zumal er zwar auf Anhieb verständlich, in seinem innersten Wesen aber dennoch höchst rätselhaft ist. Jedermann weiß, was er unter Wonne verstehen soll. Mancher würde auch schlicht von Entzücken sprechen. Selbst der gedrückteste Mensch kennt Momente, wo sein Ich sich in einem Zustand der vorübergehenden Ekstase, eben der Wonne oder des Entzückens befindet. Nicht unbedingt muss mit solchen Momenten aber ein Wabern verknüpft sein – ist dies aber der Fall, wie nachgewiesenermaßen beim Motus extatico-narcissicus trumpiensis – dann haben wir es möglicherweise mit einer welthistorischen Erscheinung zu tun. Das ist der Grund, warum in unserer Zeit kein politisch denkender Mensch an dem Phänomen des Wonnewaberns vorüberkommt, selbst und gerade auch die Wissenschaft nicht, die sich bereits auf die ihr eigene systematische Art damit befasst und uns in diesem Sinne den soeben genannten Fachbegriff bereitgestellt hat.

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