Wozu ist Wirtschaft gut? Ein Plädoyer für die Arbeit

Bertrand Russell hat einmal gesagt, dass der Sinn des Lebens für ihn in der Erkenntnis, in der Liebe und in dem Mitleid mit den Benachteiligten liege. Und an anderer Stelle sieht er die Quelle eines glücklichen Lebens in der Befriedigung, die der einzelne aus seiner Arbeit und seinen sozialen Beziehungen erfährt.

Die Theoretiker der Wirtschaft müssen da etwas bescheidener sein. Statt nach dem Sinn des Lebens zu fragen, fassen sie den Sinn ihres Fachgebietes ins Auge. Die sogenannte Neoklassik, also jener Zweig, der seit mehr als einem Jahrhundert das Weltbild der Ökonomen beherrscht, hat den Zweck der Wirtschaft vorrangig in der Produktion von Gütern gesehen, wobei dem Konsum auf der einen Seite die dazu erforderliche Produktion auf der anderen gegenübersteht.

Wenn Bertrand Russell zu einem erfüllten Leben das Glück gerechnet hat, das eine befriedigende Arbeit dem Menschen verschafft, dann war Arbeit für ihn offenbar eine eminent ökonomische Kategorie. Für viele ist Arbeit jedenfalls weit wichtiger als der Konsum, zumindest gilt das nach der Befriedigung der elementaren Lebensbedürfnisse. Jeder kennt Menschen – seien es Schriftsteller, Mathematiker, Musiker, aber auch Erfinder und ungezählte Menschen in ganz normalen Berufen -, die um einer sie erfüllenden Arbeit willen ihren Konsum auf ein Minimum beschränken. Hunger-Künstler und hungrige Erfinder sind geradezu sprichwörtlich, und es ist auch kein Geheimnis, dass viele Deutsche auf das Wachstum der Wirtschaft und einen steigenden Konsum ohne zu zögern verzichten würden, vorausgesetzt, man würde ihnen dafür die Erhaltung eines sie befriedigenden Arbeitsplatzes versprechen.

Eine realistische Wirtschaftslehre sollte daher auf dem Primat der Arbeit noch vor dem Konsum bestehen. Doch wäre sie selbst damit noch nicht realistisch genug. Friedrich Nietzsche hat im Willen zur Macht den Hauptantrieb des Menschen gesehen. Nur wenige werden ihm darin folgen, denn es gibt viele Menschen – und zu ihnen zählen gerade jene, welche die meisten von uns als besonders sympathisch bewerten – denen ein solcher Trieb weitgehend fehlt. Andererseits lässt sich kaum leugnen, dass er bei anderen umso stärker und sichtbarer in Erscheinung tritt. Niemand häuft Millionen oder gar Milliarden an, um seinen Konsum auszuweiten. Kein Mensch kann statt eines einzigen Steaks pro Tag tausend verzehren und niemand in hundert Villen zur gleichen Zeit wohnen. Der Reichtum der oberen fünf Prozent überschreitet die Grenzen jedes denkbaren individuellen Konsums.

Dennoch hat die Neoklassik als die heute weitgehend herrschende Wirtschaftslehre, das Konsumbedürfnis des Menschen zum Eckpfeiler unserer Wirtschaftsordnung erklärt. Sie setzt sich damit über die offenkundige Tatsache hinweg, dass gerade der große und von vielen abgöttisch bewunderte Reichtum gar nicht aufgrund dieses angeblich elementaren Bedürfnisses entsteht, sondern einem ganz anderen Motiv und Bedürfnis entspringt. Wer Reichtum akkumuliert und mit aller Kraft verteidigt, will eben gerade nicht konsumieren, sondern sich Macht und Prestige verschaffen. Mit Reichtum kann man andere Menschen von sich abhängig machen. Großer Reichtum wird bewundert und gefürchtet. Die Weisungen und Mahnungen seiner Besitzer lassen sich schlecht übergehen, denn Abhängigkeit wirkt sich in Einfluss aus. Zwar verfügen die oberen fünf Prozent in einer Demokratie nur über fünf Prozent Stimmenanteil, aber das tatsächliche Gewicht, das sie durch ihre Interessenvertretungen und auf dem Weg politischer wie ökonomischer Propaganda geltend machen, liegt weit darüber. Nach den Worten von Noam Chomsky sind die Vereinigten Staaten heute nur noch formal eine Demokratie, in Wahrheit herrschen die Plutokraten. Seiner Meinung nach werden die USA nicht vom Volk gelenkt, sondern von einer kleinen Elite der Superreichen.

Es liegt auf der Hand, dass diese Schicht den Sinn der Wirtschaft nicht vorrangig in der Arbeit und schon gar nicht im Konsum erblickt. Beide wird sie nur so weit fördern, wie es nötig ist, damit soziale Unruhen sie nicht in ihrer Stellung gefährden. Im übrigen ist ihr Handeln auf die Erhaltung und Vermehrung der eigenen Macht gerichtet – und dieses Ziel wird am besten dadurch erreicht, dass sie für einen gewaltigen und wachsenden Renditenstrom von unten nach oben sorgt. Wie gut ihr das inzwischen gelungen ist, beweisen alle Erhebungen über den Zuwachs von Einkommen und Vermögen während der vergangenen zwanzig Jahre.

Es gilt daher festzuhalten, dass Wirtschaft in ihrer heutigen Form von drei Grundbedürfnissen beherrscht wird, dem Bedürfnis nach Arbeit, dem Bedürfnis nach Macht und erst an letzter Stelle dem Bedürfnis zu konsumieren.

Demnach gibt es auch drei Arten von Wirtschaft mitsamt den ihnen entsprechenden Theorien – je nachdem ob sie die Arbeit, die Macht oder den Konsum in den Mittelpunkt rücken.

Betrachten wir zuerst eine Theorie, welche den Konsum an die erste Stelle setzt. In Schwellenländern wie China und Indien, wo große Teile der Bevölkerung noch das Lebensnotwendige entbehren, aber auch in Ländern, die wie Deutschland nach 1945 von einem Krieg verheert worden sind, rückt das Bedürfnis zu konsumieren zweifellos an die erste Stelle. Auch die Arbeit nimmt demgegenüber eine eher zweitrangige Stellung ein, denn es versteht sich von selbst, dass der Aufbau einer schwachen oder zerstörten Wirtschaft nur durch harten Einsatz der ganzen Bevölkerung möglich ist. In einer solchen Zeit des Aufbaus wird Konsum auch noch ganz eng definiert, eben als Erwerb lebensnotwendiger und nach einiger Zeit lebenserleichternder Güter. Erst wenn die Gesellschaft bereits zu einem gewissen Wohlstand gelangt ist, weitet der Begriff des Konsums sich schrittweise aus. Dann zählt zu dem, was wir im weitesten Sinn konsumieren, also täglich genießen wollen, auch die gepflegte Landschaft, eine geschützte Tierwelt, saubere Flüsse und gesunde Luft. Wir legen Wert auf ein wohnliches Umfeld statt Agrarwüsten, Fabrikgelände und tristen Wohncontainern. Aus der zu Anfang noch rein materiell definierten Kategorie des Konsums geht ein ins Spirituelle erweiterter Begriff hervor. Der punktuelle Konsum erscheint uns wertlos, wenn er mit einer globalen Zerstörung bezahlt wird. Die Bereitschaft wächst, den materiellen Konsum auf ein vernünftiges Maß einzuschränken, wenn er mit dem umfassenden Konsum, d.h. der Forderung nach nachhaltigem Wirtschaften, in Widerspruch gerät.

Wie sieht nun eine Theorie der Wirtschaft aus, welche den Schwerpunkt auf das Bedürfnis nach Macht legt? Keiner hat dafür eine bessere Analyse geliefert als der Sozialrevolutionär Karl Marx. Das Bedürfnis nach Macht erzeugt Monopole und eine zunehmende Konzentration der Vermögen. Die Eigentumsgesellschaft (der sogenannte Kapitalismus) wird dadurch von innen her aufgelöst. Mit dieser Analyse hat Marx Maßstäbe gesetzt, die von der akademischen Wirtschaftstheorie zu ihrem Schaden vernachlässigt wurden. Allerdings trägt Marx selbst ein Gutteil Schuld an dieser Geringschätzung: Den unheilvollen Trend der Selbstzerstörung hat er mit einer grundfalschen Therapie heilen wollen. Zwar hat er ein „Absterben des Staates“ im Kommunismus und damit ein Ende aller von oben lenkenden Macht angedeutet (erst Lenin hat diesen Begriff wirklich verdeutlicht) –-, doch war er sich nicht bewusst, dass staatliche Macht in einer Massengesellschaft nirgendwo unduldsamer vorgehen muss, als dort, wo das Eigentum unterdrückt wird. Die „Diktatur des Proletariats“, bestehend aus einer Nomenklatur, die so absolut herrschte wie bis dahin nur feudalistische Herrscher, stellt das logische Ergebnis einer nur mit äußerster Härte durchsetzbaren Aufhebung des Privateigentums dar. Statt Aufhebung des Machtbedürfnisses in einer kommunistischen Wirtschaft war die äußerste Verschärfung und Konzentration der ökonomischen und politischen Macht (in noch weniger Händen als im Westen) die Folge.

Zu dieser Allmacht des Staates trug zusätzlich noch der Internationalismus der kommunistischen Bewegung bei, weil er die regionale Selbstbestimmung im ganzen Ostblock systematisch und erbarmungslos unterdrückte. Das „Absterben des Staates“ unter den Bedingungen des Marxismus wurde damit vollends in die Sphäre der Utopie verwiesen.

Die neoklassische Wirtschaftstheorie hat allerdings keinen besseren Weg eingeschlagen. Sie diente und dient als Rechtfertigung für die Eigentumsgesellschaft. Sie hat aber in wesentlicher Hinsicht versagt, weil sie den wertvollsten Teil der Marxschen Theorie, nämlich seine brillante Analyse, überging und damit das Bedürfnis nach Macht als wesentlichem Bestimmungsfaktor der Wirtschaft außer Acht ließ. Doch krankt sie nicht nur an dem Pferdefuß dieser folgenschweren Unterlassung, sondern sie hat ihrerseits dazu beigetragen, dass das Bedürfnis nach Macht sich in der Eigentumsgesellschaft ungehindert entfaltet. Sie hat nämlich die unverzeihliche Sünde begangen, die menschliche Arbeit, den eigentlichen Ursprung alles Wirtschaftens, auf ein und dieselbe Ebene mit leblosen Dingen zu stellen, nämlich mit Boden und Kapital. Alle drei werden in ihrem Theoriegebäude gleichrangig als bloße „Produktionsfaktoren“ behandelt. Die Neoklassik erweckt den Eindruck, als würden Boden und Geld von sich aus Ernten abliefern oder Autos erzeugen – so als geschähe dies Zutun des Menschen. Dies ist eine offenkundige Absurdität, die das ganze Gebäude der Neoklassik beschädigt.

Selbst Keynes hat sich in diesem Punkt nur teilweise von der Neoklassik entfernt. Zwar hat er die Vollbeschäftigung als ein herausragendes Ziel jeder Wirtschaftspolitik definiert, doch ging es ihm nur um die Wiederherstellung eines gestörten Gleichgewichts – an eine wirkliche Korrektur, geschweige denn eine Umwertung des neoklassischen System hat er sich nicht gewagt. Auch in der „General Theorie“ bleibt die Arbeit ein Stiefkind.

Spätestens seit den neunziger Jahren spüren wir die Folgen dieser Missachtung der Marxschen Analyse und der damit verbundenen Blindheit der herrschenden ökonomischen Theorie. In der Betonung des Shareholdervalues als angeblich höchstem Zweck modernen Wirtschaftsgebahrens hat sich das Machtbedürfnis einer Minorität durchgesetzt. Um ihre Forderungen möglichst unangreifbar zu machen, ist diese Schicht inzwischen global in der „Internationale der Gläubiger“ vernetzt und als solche mächtiger als jeder einzelne Staat. Sie braucht sich weder vor Regierungen noch vor Gewerkschaften zu fürchten. Unter ihrer Aufsicht werden die Eckpunkte festgesetzt, unter denen heute Löhne und soziale Systeme verhandelt werden. Unsere Wirtschaft steht nicht mehr unter demokratischer Kontrolle, sondern unter dem Diktat einer Elite. Diese herrscht diskret aus dem Hintergrund – wenn auch nicht aufgrund von Verschwörung – sie verfolgt schlicht ihr ökonomisches Interesse. Jeder, der aufgrund eines besonderen wirtschaftlichen Erfolgs zu ihren Reihen aufschließt und in ihrem Sinne handelt, ist ihr willkommen. Diese Elite ist so kosmopolitisch und so weltoffen wie der Adel des 18. Jahrhunderts vor der französischen Revolution. Sie ist, mit anderen Worten, aus höchst achtenswerten Menschen zusammengesetzt. Das ändert nichts daran, dass ihre Existenz und ihr Machtbedürfnis die größte Bedrohung für die Stabilität der Eigentumsgesellschaft bedeuten.

Damit komme ich zu einer dritten Art ökonomischer Theorie, welche die menschliche Arbeit in den Mittelpunkt stellt. Wer sie theoretisch begründet, kann sich auf den friedlichsten und stabilsten Teil der bisherigen Menschheitsgeschichte berufen. Geben und Nehmen sind der soziale Kitt, der Menschen zusammenfügt. Ich biete meine Arbeit und deren Produkte an andere und nehme dafür im Gegenzug die Leistungen meiner Mitmenschen entgegen.

Manche glauben, dass wir einer Zukunft entgegenstreben, in der sich der Mensch von der Arbeit gänzlich befreien wird, weil automatisierte Fabriken und künstliche Intelligenz ihm alle körperlichen und geistigen Tätigkeiten für die Lebensfürsorge abnehmen. Sie glauben (auch wenn sie diesen Gedanken selten bis zur letzten Konsequenz weiterführen), dass wir dann in einer Art von Gratisgesellschaft ankommen, wo alle aus den produzierenden Automatenfabriken ein garantiertes Grundeinkommen an kostenlosen Fertigwaren beziehen.

Angenommen, wir würden alle Rohstoffe tatsächlich gratis erhalten (eine offenkundige Illusion, denn diese werden im Gegenteil zunehmend teurer); angenommen zudem, wir würden uns mit einer kleinen Palette normierter Produkte zufriedengeben und die automatisierten Betriebe würden nur einer minimalen Wartung bedürfen, dann hätten wir mit dieser Vision immerhin ein denkbares Zukunftspanorama entworfen.

Aber würde die Arbeit damit verschwinden? Würden wir alle fortan in Untätigkeit verharren, um täglich an die Automaten zu eilen so wie das Vieh an die Tränke, um dort unsere Gratisration zu empfangen? Keineswegs, denn mit der Arbeit hätten wir auch das gegenseitige Geben und Nehmen beseitigt, also das mächtigste soziale Band überhaupt. Da wir soziale Wesen sind, würden wir sogleich eine Fülle neuer Tätigkeiten erfinden. Die Menschen würden einander alle Arten der seelischen und geistigen Betreuung, des physischen Trainings, der Naturerkundung und des Genusses anbieten. Physiotherapeuten, Sozialdienste, Psychotherapien, künstlerische Aktivitäten der vielfältigsten Art – all dies würde an die Stelle der materiellen Lebensfürsorge treten, so wie das ja in den reichsten Staaten des Globus schon in hohem Maße der Fall ist.

Theoretisch könnte solche Arbeit, da ja die Lebensfürsorge durch die Automatenfabriken gesichert ist, ganz freiwillig erfolgen. Theoretisch könnte Geld als Rechenmaßstab für empfangene und erhaltene Leistungen unter diesen Umständen verschwinden. Theoretisch wären wir dann in einem paradiesischen Urzustand des Schenkens und Teilens angekommen.

Doch wie steht es um diesen vermeintlichen Urzustand? Hat es jemals eine Gesellschaft gegeben, in welcher der einzelne frei darüber entscheiden durfte, ob er einen Beitrag zum Gemeinwohl erbringt oder sich parasitär von anderen erhalten lässt? Gewiss, für Alte, Kinder und Kranke hat man diese Ausnahme sehr wohl gelten lassen, doch nie für gesunde, erwachsene und arbeitsfähige Menschen. In kleinen und überschaubaren Gruppen brauchte man kein Geld, um Geben und Nehmen zu regulieren, es genügte das Schamgefühl und im Extremfall die soziale Exkommunikation, um jeden daran zu erinnern, dass er neben Rechten ebenso viele Pflichten gegenüber der Gemeinschaft zu erfüllen hatte.

Doch heute leben wir in einer anonymen Massengesellschaft. Das Schamgefühl hat seine Wirksamkeit weitgehend eingebüßt. Ohne Geld als Rechenmaßstab lassen sich Geben und Nehmen nicht regulieren. Selbst wenn wir nur noch geistige und künstlerische Arbeit verrichten würden, weil ein automatisierter industrieller Apparat unsere materiellen Lebensbedürfnisse gratis befriedigt, wäre unsere Wirtschaft weiterhin auf dem Prinzip von Geben und Nehmen begründet. Wir würden nach wie vor bezahlte Arbeit leisten, und dafür die Produkte aus der bezahlten Arbeit anderer erwerben.

Damit ist natürlich nicht gesagt, dass sich nicht jeder über dieses rechenhafte Geben und Nehmen hinaus ehrenamtlich (und unbezahlt) für das Gemeinwohl betätigen kann. Ein Mehr an Einsatz wurde von jeher besonders gewürdigt und seine Protagonisten vor anderen geehrt und manchmal gefeiert, verpönt war nur das Weniger, eben das parasitäre Leben auf Kosten der anderen.

Noch ein weiterer wichtiger Schluss lässt sich aus der utopischen Vision einer automatisierten Produktion alles Lebensnotwendigen ableiten. Die bezahlte Arbeit ist keineswegs durch die Automatisierung der Produktion bedroht, also durch den technologischen Fortschritt, wie das heute von interessierter Seite so oft zu hören ist und auch von den Vertretern des bedingungslosen Grundeinkommens behauptet wird. Vielmehr stammt die Bedrohung aus einer ganz anderen Richtung. Die Arbeit wird durch das Machtbedürfnis einer ökonomisch und politisch führenden Schicht verdrängt, also durch jene zweite grundlegende Komponente des Wirtschaftsgeschehens, von der oben die Rede war. Mehr und mehr hält die „Internationale der Gläubiger“ ihre Exekutoren in den Chefetagen der großen Konzerne auch dann noch zu Automatisierungen an, wenn diese nicht dem Gemeinwohl dienen, sondern lediglich der Verlagerung von Einkommen von der Arbeit zum Kapital. Der gesamte heimische Konsum wird damit zunehmend ausgehöhlt, da die großen Gläubiger ihren speziellen Konsum ja kaum noch erweitern können, vielmehr legen sie ihren Gewinn wiederum in Investitionen an (und noch dazu in den renditeträchtigsten Schwellenländern). Und ferner dringt die „Internationale der Gläubiger“ auch dann noch auf die Auslagerung der heimischen Produktion in Billiglohnländer, wenn sie damit zwar ihre Profite erhöht, aber Arbeitsplätze vernichtet, weil – wie etwa im Handel mit China der Fall – die exportierte Hochtechnologie mit einer Schwemme von Billigartikeln bezahlt wird, die bei uns die Auslöschung ganzer Industrien zur Folge hat. Gern wird dann hervorgehoben, dass ein nach China exportierender deutscher Konzern für die Verwaltung seiner ausländischen Filialen auch zu Hause neue Arbeitsplätze kreiert. Das trifft sicher zu. Aber wer redet davon, dass die Schwemme an Billigprodukten, womit China den Export eines deutschen Konzerns bezahlt, zwangsläufig eine Fülle von ursprünglich bei uns produzierten Gütern verdrängt und dadurch ein Vielfaches an vorhandenen Arbeitsplätzen vernichtet?

Das Machtbedürfnis einer kleinen ökonomisch herrschenden Schicht, sprechen wir ruhig mit Noam Chomsky von einer Plutokratie, stellt sich dem Bedürfnis nach Arbeit entgegen und damit einer Wirtschaft, die nicht einer Minorität, sondern der Mehrheit dient. Dass diese Minorität Arbeit nicht nur vernichtet, sondern überdies für eine schleichende Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und für den Abbau des Sozialsystems in sämtlichen Ländern Europas verantwortlich ist, davon habe ich in schon in meinem Essay „Das Unternehmen und die Internationale der Gläubiger“ gesprochen.