Wikipedia: Wie gezielter Rufmord funktioniert

Der Erfolg eines Unternehmens hängt – in gewissem Grade – von Google ab, das Ansehen einer öffentlich wirksamen Privatperson von Wikipedia. Der Eintrag zu „Gero Jenner“ auf Wikipedia wurde mehrere Male verändert (siehe unten), wobei der Text zu Person und Leben immer stärker reduziert worden ist – jetzt ist er ganz verschwunden. Stattdessen erscheint ein neuer Eintrag „Rezeption“ mit vier knappen Zeilen, die offensichtlich den Zweck verfolgen, den Autor zu diskreditieren. Eine meiner schwächeren Arbeiten, die „Energiewende“ von 2006, hinterlasse einen „unangenehmen Eindruck“, so heißt es da. Das kann schon sein, niemand ist gegen ungünstige Kritiken gefeit. Es ist aber bemerkenswert, dass unter Rezeption nur diese Stellungnahme eines Journalisten erscheint. Keine Rede ist davon, dass „Die Arbeitslose Gesellschaft“ von einem deutschen Wirtschaftsweisen, Bert Rürup, mit größtem Lob bedacht worden ist: „Das Intelligenteste zum Komplex der Globalisierung seit Robert Reichs „Die neue Weltwirtschaft“, so heißt es auf dem Buchrücken (fehlerhaft ist daraus allerdings „Das Ende der Weltwirtschaft“ geworden). Keine Rede davon, dass Herr Rürup sich sogar als Berater einer weiteren bei S. Fischer erschienenen Arbeit, „Das Ende des Kapitalimus – Triumph oder Kollaps eines Wirtschaftssyystems?“, bezeichnet hat. Mit keinem Wort wird erwähnt, dass ein zweiter Wirtschaftsweiser, Gerhard Scherhorn, das Vorwort zu einem anderen Buch: „Das Pyramidenspiel“ geschrieben hat. Dass eine international anerkannte Autorität wie Herman Daly eines meiner Bücher, „Yes we can – no we must! Build a better sustainable world“ besonders empfiehlt, wird ebenfalls unterschlagen.*1*

Anders als Kritik haben positive Stellungnahmen in den Augen des bei Wikipedia zuständigen Sachbearbeiters offenbar kein Gewicht. Im übrigen ist es von vornherein höchst ungewöhnlich, dass ohne jeden Hinweis auf Leben und Forschungstätigkeit einer Person an einem einzelnen Beispiel auf die Rezeption verwiesen wird. Das steht im Gegensatz zum üblichen Procedere. Es drängt sich der Eindruck auf, dass Wikipedia mich am liebsten ganz löschen würde (das geht auch aus der an der Spitze befindlichen Warnung vor mangelnden Belegen hervor). Gelöscht wurde von einem Moment auf den anderen – und natürlich ohne Begründung – auch ein Teil der Einträge unter Literatur, und zwar meine bei Amazon erschienenen, mit ISBN versehenen Bücher, von denen ich wenigstens zwei für die wichtigsten meiner bisherigen publizistischen Tätigkeit halte.

Die Erklärung für das Vorgehen des Forums könnte überaus einfach sein. Vielleicht ist Gero Jenner wirklich ein unangenehmer Mensch und sind seine Publikationen bedauerlicherweise ganz unbedeutend. Die großen Verlage, die seine Bücher einst veröffentlichten, hätten sich schlicht geirrt – das soll ja vorkommen. Geirrt hätten sich auch die „Wirtschaftsweisen“ Bert Rürup, Gerhard Scherhorn und der international angesehene Herman Daly.

Das ist aber nicht die einzige mögliche Erklärung für das seltsame Vorgehen Wikipedias. Jenner hat sich sehr unbeliebt bei einem nach wie vor sehr einflussreichen Mann, bei Prof. Bert Rürup, gemacht, der ihn anfangs so sehr gefördert hatte. Es war und ist auch sicher nicht hilfreich, dass er den einstigen Papst der Linguistik, Noam Chomsky, in seinem Fachbereich heftig kritisiert (nicht als politischen Denker). Vor dreißig Jahren, als seine Bücher zur Generellen Sprachwissenschaft zuerst erschienen, galt das noch als Sakrileg. Deutsche Linguisten haben damals dafür gesorgt, dass der Hinweis auf Jenners linguistische Bücher getilgt worden ist. Gegen Einspruch ist nichts zu sagen, der gehört zu den Regeln des Spiels. Wikipedia soll ein unabhängiges, demokratisches Forum sein, wo das gerechte Lob und der gerechte Verriss gleichermaßen erlaubt sind.

Das wirkliche Problem besteht in der Abhängigkeit des Forums von Spenden, welche eine intransparente und undemokratische Einflussnahmen erlaubt, also in der Abhängigkeit von Macht. So wie Google Unternehmen ruinieren kann, so Wikipedia Privatpersonen, wenn diese keine mächtigen Fürsprecher besitzen, ja, wie man sieht, selbst noch in diesem Fall. Geistige Freischärler wie Jenner, die keinen Rückhalt in universitären oder anderen Strukturen besitzen, sind dann besonders verwundbar.

Welche dieser beiden Erklärungen ist richtig? Die erste kommt ohne Verschwörung aus und wäre aus diesem Grund vorzuziehen. Fünfundneunzig Prozent von Verschwörungstheorien werden von Schwachköpfen in die Welt gesetzt; sie sind das Futter und die billige Trost der Schlechtweggekommenen. Es bleiben dann allerdings immer noch fünf Prozent, denn menschliches Übelwollen, Rachebedürfnis etc., also der von Böswilligkeit bestimmte Machtmissbrauch sind durchaus reale Fakten. Jenner ist demgegenüber zu völliger Ohnmacht verdammt, jedenfalls so lange, bis er mit seinen Büchern Wissenschaftler so weit überzeugt, dass sie gegen diesen diskreditierenden Eintrag protestieren und ihn ändern.

Bis dahin muss ich mich mit der eigenen Website zufriedengeben. Dort unternehme ich den stets misslichen, stets egoistisch und selbstgefällig anmutenden und daher auch etwas peinlichen Versuch einer alternativen Selbstdarstellung.

Folgender Absatz hätte unter dem Eintrag „Gero Jenner“ zwischen den beiden Absätzen „Leben“ (vor einem Jahr noch vorhanden) und „Schriften“ eingeschoben werden sollen.

Forschungsschwerpunkte

Ein mehr als dreijähriger Aufenthalt in Japan hatte Jenners Interesse an Wirtschaftsproblemen erweckt. Mit drei Sachbüchern zu diesem Thema gewann er größere Aufmerksamkeit nicht nur in der Öffentlichkeit sondern auch unter Experten. Die Arbeitslose Gesellschaft und Das Ende des Kapitalismus – Triumph oder Kollaps eines Wirtschaftssystems wurden von Bert Rürup, einem ehemaligen deutschen „Wirtschaftsweisen“, gefördert; das zweite Buch sogar mit dessen „fachlicher Beratung“ (wie Herr Rürup zumindest behauptet). Das Pyramidenspiel erschien mit dem Vorwort eines weiteren renommierten Wirtschaftsweisen, Gerhard Scherhorn. Während die beiden ersten Arbeiten die Gefahren und Chancen der Globalisierung behandeln, geht die Letztere auf die unbeabsichtigte, aber stetige Umverteilung von unten nach oben durch Zinsen und Dividenden ein. Seine vorläufig letzte Veröffentlichung zur politisch-ökologischen Zukunft des Globus Yes, we can – no we must wurde von Herman Daly, Senior Economist der Weltbank und Träger des Alternativnobelpreises, besonders empfohlen. Jenner hat seine Gedanken zu Politik und Wirtschaft stets auf grundsätzlich-philosophische Weise begründet. Das erklärt, warum er selbst seine im engeren Sinne philosophischen Arbeiten für die wichtigsten hält (Schöpferische Vernunft).

Die Professoren Karl Acham (Soziologie), Michael Kilian (Verfassungsrichter, Anwalt), Rolf Kreibich (Physiker, Soziologe und langjähriger Universitätspräsident) sowie Ernst-Ulrich von Weizsäcker (Umweltwissenschaftler, Politiker) haben sich für diese Ergänzung eingesetzt. Die Fürsprache der genannten Herren hatte jedoch keinen Erfolg, wie ich in einer Mail vom 3. März 2022 an die genannten Professoren berichtet habe:

„Im Augenblick gibt es wirklich größere Probleme. Aber der Vorgang bei Wikipedia hat paradigmatische Bedeutung, und er weist inzwischen kafkaeske Züge auf. Zunächst allerdings muss ich mich bei Ihnen bedanken. Sie haben Wikipedia (Herrn Rapp) für mich umzustimmen versucht. Auf besonders liebenswürdige, aber natürlich weit übertriebene Art hat Herr Prof. Acham dies getan:

Jenners durch die Aktualitäten des Tages veranlasste, aber nie nur auf diesen fixierte Erörterungen grundlegender politischer, ökologischer, sozialökonomischer und kultureller Fragen zählen zum Anregendsten, das derzeit an klar formulierter historischer Soziologie im deutschen Sprachraum zu finden ist“ (Karl Acham).

Der Versuch, diese Beurteilung in den Text „Forschungsschwerpunkte“ aufzunehmen, wurde abgeschmettert. Warum? Dazu muss man wissen, dass unter meinem Eintrag bis 2017 zehn Jahre lang eine Passage zwischen dem ersten Absatz „Leben“ und „Schriften“ stand (bei mir und sicherlich auch bei Wikipedia gespeichert), die dreifach länger war als der jetzt vorgeschlagene Absatz „Forschungsschwerpunkte“ – zehn Jahre lang hatte niemand bei Wikipedia daran Anstoß genommen. Es stand auch nicht wie jetzt ein warnender Balken über dem Text, wonach Belege fehlen und der Eintrag deshalb jederzeit gelöscht werden könne. Dass dies bisher nicht geschehen ist, liegt wohl einzig daran, dass Wikipedias Satzungen dies verbieten, denn ein Sachbuchautor, der mindestens vier Werke in renommierten Verlagen vorweisen kann, hat ein Recht darauf, bei Wikipedia zu erscheinen (bei mir sind es insgesamt sechs Bücher bei S. Fischer, Propyläen und Signum, aber noch mehr wenn man den kleinen Verlag Metropolis hinzurechnet (die in eigener Regie bei Amazon veröffentlichen Bücher zählen für Wikipedia nicht).

Herr Rapp von Wikipedia, München, ist ein freundlicher Mensch, der seine Freizeit für eine gute Sache opfert und sich sichtlich gewunden hat, um mir all diese Ungereimtheiten zu erklären. Ich habe nämlich Belege für jeden einzelnen Satz im Abschnitt „Leben“ und „Forschungsschwerpunkte“ beigebracht. Sie entsprechen den Satzungsvorschriften. Bücher werden als öffentliche Zeugnisse gewertet, aber es bleibt das Geheimnis Wikipedias, warum das für ihren Inhalt nicht gelten soll. Z.B. also nicht für die Tatsache, dass Prof. Scherhorn ein Vorwort zu einem meiner Bücher geschrieben hatte. Diese Tatsache wird von Wikipedia als „privat“ verworfen und komme nach Meinung des Sachbearbeiters als Beleg nicht in Betracht. Ebenso werden im Absatz „Leben“ die Belege des DAAD, der Studienstiftung, der Ecole Franchise d’Extreme Orient usw. nicht als öffentliche Belege gezählt sondern diese Beglaubigungen gelten ebenso als privat. Ich frage mich, wie die Lebensläufe anderer Personen in Wikipedia dann überhaupt belegt werden können. Vermutlich wird der Liebe Gott da zu Rate gezogen.

Die von Wikipedia hier vorgenommen Unterscheidung von »privaten« und »öffentlichen« Zeugnissen bleibt offenbar der Willkür der für diese Institution tätigen Mitarbeiter anheimgestellt, eine Willkür, welche auch Zweifel an der Objektivität der Artikel erwecken muss.

Herr Rapp hat den Absatz „Forschungsschwerpunkte, wie er mich am 3. März 22 wissen ließ, schließlich ins Netz gestellt, nur um mir eine Stunde später mitzuteilen, dass einer seiner Kollege den Text sogleich wieder löschte. Für diesen sonst völlig unverständlichen Widerspruch gibt es eine naheliegende Erklärung. Ich habe leider einen mächtigen Feind außerhalb von Wikipedia, der auch verhindert hat, dass ich bei S. Fischer noch weitere Bücher veröffentlichen durfte. Wenn diese Vermutung zu Recht besteht, muss man sich allerdings fragen, ob Wikipedia wirklich als die objektive und unabhängige Instanz gelten darf, die es zu sein behauptet? Und was noch schwerer wiegt, ob es seine Macht nicht missbraucht? Wenn jemand wie Jenner außerhalb unterstützender Organisationen steht, scheint beides: Objektivität und Unabhängigkeit, jedenfalls nicht länger zu gelten. Es bleibt also wahr: Der Erfolg eines Unternehmens hängt – in gewissem Grade – von Google ab, das Ansehen einer öffentlich wirksamen Privatperson von Wikipedia, wo dann in völliger Intransparenz die Macht das letzte Wort haben kann – Macht, die zu gezieltem Rufmord wird.

„Die Arbeitslose Gesellschaft“ ist vergriffen, ich habe sie unter anderem Titel bei Amazon veröffentlicht.

*1* Ich meinerseits will aber nicht unterschlagen, dass dieser Zuspruch manchmal auch gänzlich fehlte. Nachdem Prof. Anton Zeilinger den Zufall als die größte Entdeckung des 20. Jahrhunderts bezeichnet hatte, gab ich ihn einem Schreiben an ihn zu bedenken, dass Werner Heisenberg dem indirekt und Albert Einstein auch direkt widerspricht. Das Weltbild der klassischen Physik kennt den Zufall nicht und dabei ist es bis heute geblieben. Nach meiner Auffassung kann kein Experiment den Beweis für die Freiheit erbringen, sondern das kann allein die Logik, welche die Aussagekraft von Experimenten begründet. So habe ich zu zeigen versucht, dass alle Wissenschaft ihren Sinn verliert, wenn wir nicht von der Freiheit des Menschen und in der Natur ausgehen, wo wir sie als Zufall bezeichnen. Herr Zeilinger hat auf den ihm gewidmeten Aufsatz „Der Zufall und der Liebe Gott“ nicht geantwortet und natürlich auch nicht auf das Buch „Schöpferische Vernunft“, wo ich meine Auffassung ausführlich begründe.

Ebenso wenig Glück hatte ich mit meinen Schreiben an den Neurologen Herrn Lüder Deecke und an den Psychiater Joachim Bauer. Beide verteidigen die menschliche Freiheit gegen Benjamin Libet, der aufgrund entsprechender Experimente zu dem Ergebnis kam, dass das Bereitschaftspotential zur Ausführung einer Handlung im Durchschnitt 550-350 Millisekunden… dem Willensentschluss vorausgeht, niemals mit ihm zeitlich zusammenfällt oder ihm folgt. Herr Bauer bemüht sich – meines Erachtens wenig überzeugend – die Versuchsanordnung selbst in Frage zu stellen, überdies zweifelt er die Messergebnisse an. Ich versuche in meinem genannten Buch nachzuweisen, dass das Libetsche Experiment in Wahrheit keinen Beweis gegen die Freiheit darstellt – auch dann nicht, wenn die Versuchsanordnung und die Messergebnisse unanfechtbar sind. Weder Herr Deecke noch Herr Bauer fanden es der Mühe wert, darauf zu antworten.