Jenner – Jarass

 

140824:

Sehr geehrter Herr Jarass,

bevor mein neues Buch „The Economic Disease and how to cure it – Die ökonomische Krankheit und wie sie geheilt werden kann“ in Druck geht, würde ich gern noch Ihre Meinung zu einem speziellen Punkt einholen, der vor einigen Jahren Ihren Protest erregte – einen Protest, mit dem ich Sie in dem Buch auch zitiere. Allerdings brachten Sie Ihren Einwand damals gegen eine Konsumsteuer vor, die gleichzeitig auch noch die Sozialausgaben des Staates abdeckt. Davon ist in meinem Buch keine Rede mehr.

Ich würde mich freuen, wenn die so korrigierten Vorschläge doch noch Ihr Interesse und möglicherweise sogar Ihren Beifall fänden. Erlauben Sie mir Ihnen die ganze Arbeit zuzuschicken, damit Sie eine Vorstellung davon haben, in welchem Zusammenhang ich Sie zitiere.

Mit den besten Grüßen nach Regensburg

Gero Jenner

140829:

Am 29.08.2014 um 00:38 schrieb Prof. Dr. L. JARASS <mail@JARASS.com>:

Lieber Herr JENNER,

(1) Der Vorschlag einer progressiven Konsumbesteuerung zzgl. Ressourcenverbrauchsteuer kann quantitativ wie folgt beurteilt werden:

Ich gebe aus meinem im Herbst erscheinenden Buch das Steueraufkommen an:

Steueraufkommen in Preisen von 2010
[Mrd. €2010]
2010 2013 2016 Prognose
Mrd. €2010 Anteil am Gesamt-aufkommen Mrd. €2010 Anteil am Gesamt-aufkommen Mrd. €2010 Anteil am Gesamt-aufkommen
  (1) Einkommenbezogene Steuern 273 49% 318 51% 342 53%
  davon
(1.1) Lohnsteuer 169 30% 190 31% 204 32%
(1.2) Einkommensteuer 56 10% 68 11% 74 12%
(1.3) Körperschaftsteuer 13 2% 19 3% 21 3%
(1.4) Gewerbesteuer 36 6% 41 7% 43 7%
  (2) Vermögenbezogene Steuern 21 4% 24 4% 25 4%
  davon
(2.1) Grund- und Grunderwerbsteuer 17 3% 20 3% 21 3%
(2.2) Erbschaftsteuer 4 1% 4 1% 4 1%
  (3) Verbrauchbezogene Steuern 269 48% 276 45% 277 43%
  davon
(3.1) Umsatzsteuer 180 32% 186 30% 193 30%
(3.2) Energie- und Stromsteuern 46 8% 45 7% 42 6%
(3.3) Sonstige indirekte Steuern 43 8% 44 7% 42 6%
  (4) Gesamtaufkommen 563 100% 618 100% 644 100%
Z. (1.1), (1.2), (1.3): Lohn-, Einkommen- und Körperschaftsteuer jeweils inkl. Solidaritätszuschlag.
Z. (1.1): Kassenmäßige Lohnsteuer zzgl. von den Arbeitgebern mit der Lohnsteuer verrechnetes Kindergeld
von jährlich 34 Mrd. € .
Z. (1.2): Veranlagte und nicht veranlagte Einkommensteuer zzgl. Abgeltungssteuer.
Z. (3.3): U.a. Tabaksteuer, Versicherungssteuer, Kraftfahrzeugsteuer.

 

(2) Wie Sie sehen, macht die Umsatzsteuer ca. 30% des gesamten Steueraufkommens aus, Energie- und Stromsteuern 7% und sonstige indirekte Steuern ebenfalls 7%. Die einkommenbezogenen Steueranteile sind etwas höher.

Wenn Sie also die einkommenbezogenen Steuern durch Verbrauchsteuern ersetzen wollen, müssen Sie die Verbrauchsteuersätze gut verdoppeln.

(3) Ihr System begünstigt enorm die Besitzenden (wollen Sie das?) und die hohen Einkommensbezieher, die nun keine progressive Einkommensteuer mehr bezahlen müssen, und eine (progressive) Verbrauchsteuer nur auf einen Teil ihrer Einkommen, da sie nur einen Teil ihrer laufenden Einkommen konsumieren. Bei den ganz Reichen sind das nur einige Prozent. Die Zeche bezahlt der normale Arbeitnehmer, der neben den Sozialabgaben (diese sind rund doppelt so hoch wie seine Lohnsteuerbelastung, s.u.) nun erheblich höhere Steuern bezahlen muss. Wenn Sie diesen Effekt über entsprechend hohe Progression bei der Konsumbesteuerung ausgleichen wollen, kommen Sie auf Steuersätze von deutlich über 100% bezogen auf den Nettowert.

(4) Zur Vermögensbesteuerung und zur Besteuerung von Kapitalerträgen sagen Sie gar nichts in Ihrem Buch?! Oder soll das auch entfallen?

(5) Ein sinnvolles Steuersystem besteht aus einfachen und schwer umgehbaren Besteuerungsmaßnahmen mit einer Reihe von Besteuerungsarten mit jeweils mäßigen Steuersätzen. Im Herbst erscheint mein neues Buch „Faire und effiziente Unternehmensbesteuerung“, in dem ich konkrete Vorschläge zur Unternehmensbesteuerung mache, die EU-rechtlich zulässig und rein national umsetzbar sind.

Herzlichst

Ihr L. JARASS

Prof. Dr. L. JARASS
Dipl. Kaufmann (Univ. Regensburg)
M.S. (School of Engineering, Stanford Univ., USA)
Hochschule Rhein Main

Dudenstr. 33, 65193 Wiesbaden

mail@JARASS.comwww.JARASS.com

  1. 0611/54101804, Mobil 0171/3573168

Steuermaßnahmen zur nachhaltigen Staatsfinanzierung

MV-Verlag Münster, 2012, 9,50 €

kostenfrei abrufbar auf www.JARASS.com unter Publikationen, Steuer, Bücher

140829b:

Lieber Herr Jarass,

lassen Sie mich mit Punkt 4) beginnen. Sie sagen da: „Zur Vermögensbesteuerung und zur Besteuerung von Kapitalerträgen sagen Sie gar nichts in Ihrem Buch?!“

Sie irren: Die Besteuerung der Kapitalerträge ist das Hauptthema meines Buches. Ich fordere eine Besteuerung von 100% (bei gleichzeitigem Inflationsausgleich für kleine Sparer). Nur so ist das Abdriften in eine die Demokratie zersetzende Privilegiengesellschaft zu verhindern, denn große Einkommensunterschiede können sich dann nicht über Generationen verfestigen (wie sie es tatsächlich tun – Piketty hat das in seinem jüngsten Buch eindringlich beschrieben). Im Gegensatz zu der von Ihnen unter Punkt 3) aufgestellten Vermutung besteht die Hauptforderung meines Buches darin, ein höheres Maß an sozialer und ökologischer Gerechtigkeit zu verwirklichen.

Vermögens- und Erbschaftssteuer sind heikler (deswegen gehe ich darauf in meinem Buch nicht ein), weil es im Sinne einer auf individueller Leistung begründeten Gesellschaft zwar eine unverzichtbare Forderung sein sollte, alles Einkommen, das nicht auf Leistung beruht (Kapitalerträge z.B.) wegzusteuern, aber keinen Sinn macht, die Leistung zu beschneiden – ich glaube in diesem Punkt sind wir uns einig.

Die Umsatzsteuer ist – wie schon der Name besagt – alles andere als eine echte Verbrauchssteuer, denn sie erlaubt keine steuerliche Regulierung des individuellen Konsums – von ökologisch sinnvoller Steuerung ganz zu schweigen. Darüber hinaus ist sie – wie Sie sicher zugeben werden – eine unsoziale Form der Besteuerung, da sie die Reichen schont und die Armen belastet.

Mit Vorsatz gehe ich auf das Grundgesetz und seine zwiespältige Haltung zum Eigentum ein. Dort wird ausdrücklich festgestellt, dass das Eigentum sozial verpflichte. Dieser Zusatz ist entscheidend und bestimmt meine Unterscheidung von ‚Sparen für den aufgeschobenen Konsum’ einerseits und ‚Machtsparen’ andererseits (womit Ihr Einwand unter 3) beantwortet ist). Das letztere steht im krassen Gegensatz zur Forderung der sozialen Verpflichtung des Eigentums. Es höhlt die Demokratie aus, und führt uns weiter und weiter in die Privilegiengesellschaft.

Mein Fazit: Ihr Horrorszenario von Steuersätzen deutlich über 100% trifft einfach nicht zu, sobald der ‚parasitäre Transfer’ von Kapitalerträgen beschnitten wird und wir die auf Leistung und Können begründete Marktwirtschaft wieder auf eine soziale, demokratische Basis stellen. Ihren unter Punkt 2) erhobenen Einwand kann ich daher nicht teilen.

Bei 5) bin ich voll und ganz auf Ihrer Seite: »Ein sinnvolles Steuersystem besteht aus einfachen und schwerumgehbaren Besteuerungsmaßnahmen.“

Mit herzlichen Grüßen nach Regensburg

Gero Jenner

140829?:

Lieber Herr JENNER,

(1) Ob Ihr Vorschlag einer 100% Besteuerung von Kapitalerträgen sinnvoll ist kann man diskutieren. Aber in jedem Fall müssen Sie Ihre Aussage „Ihr Horrorszenario von Steuersätzen deutlich über 100% trifft einfach nicht zu, sobald der ‚parasitäre Transfer’ von Kapitalerträgen beschnitten wird und wir die auf Leistung und Können begründete Marktwirtschaft wieder auf eine soziale, demokratische Basis stellen. Ihren unter Punkt 2) erhobenen Einwand kann ich daher nicht teilen.

Sie müssen das mit konkreten Zahlen und Berechnungen unterlegen (so wie ich das ansatzweise in der Email dargestellt habe), sonst sind das leere Behauptungen und Sie machen sich unglaubwürdig.

(2) Der Großteil der Kapitalerträge besteht nicht aus zugeflossenen Erträgen, sondern aus nicht realisierten Wertsteigerungen. Mit Ihrem Vorschlag bleiben diese Kapitalerträge ganz unbesteuert?! Hierzu sollten Sie unbedingt Vorschläge unterbreiten. M.E. kann man das nur durch eine Art Grundsteuer/Vermögensteuer besteuern.

(3) Wie sollen nicht ausgeschüttete Unternehmenserträge besteuert werden? Bei keiner Besteuerung werden eben keine Gewinne ausgeschüttet.

Lieber Herr JENNER,

Sie wissen: Ich schätze Ihre Arbeit sehr. Aber Ihre konkreten Steuervorschläge adressieren m.E. die richtigen Themen, sind aber weit von der Steuerrealität und den rechtlichen Vorgaben entfernt. Vielleicht sind Sie gut beraten, neben der Themenadressierung nur allgemeine Hinweise über die Richtung Ihrer Vorschläge zu geben.

Herzlichst

Ihr L. JARASS

Prof. Dr. L. JARASS
Dipl. Kaufmann (Univ. Regensburg)
M.S. (School of Engineering, Stanford Univ., USA)
Hochschule Rhein Main

Dudenstr. 33, 65193 Wiesbaden

mail@JARASS.comwww.JARASS.com

  1. 0611/54101804, Mobil 0171/3573168

(In seiner Stellungnahme machte Herr Prof. Jarass geltend, dass meine Reformvorschläge nur glaubwürdig seien, wenn ich sie mit konkreten Zahlen unterlege. Dazu glaube ich in einem wichtigen Punkt in der Lage gewesen zu sein, nämlich im Hinblick auf die Quantifizierung des von mir so genannten „parasitären Transfers“, also dem Geldstrom von den unteren 90 zu den oberen 10%. Die zusätzliche Quantifizierung meiner Steuervorschläge ist mir nicht gelungen. Das wäre eine Lebens- und Sisyphusaufgabe, der ich mich leider nicht gewachsen fühle.)

170122:

Am 22.01.2017 um 23:54 schrieb Lorenz JARASS <mail@jarass.com>:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

den folgenden Beitrag von Sarah WAGENKNECHT fand ich sehr bedenkenswert.

Herzlichst

Ihr L. JARASS

Prof. Dr. L. JARASS

Dipl. Kaufmann (Univ. Regensburg), M.S. (School of Engineering, Stanford Univ., USA)
Dudenstr. 33, D-65193 Wiesbaden

mail@JARASS.comwww.JARASS.com

  1. 0611/54101804, Mobil 0171/3573168

Faire und effiziente Unternehmensbesteuerung: International geplante Maßnahmen und national umsetzbare Reformvorschläge gegen Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung. 204 S., 16 Abb., 20 Kästen, 56 Tab., 18,70 €.

Siehe auch www.JARASS.com unter Publikationen, Steuern, Bücher.

Die Einschläge kommen näher – Warum die Rechte profitiert

Ein Gastbeitrag von Sahra Wagenknecht, Linkspartei

n-tv, 20. Januar 2016, http://www.n-tv.de/politik/Warum-die-Rechte-profitiert-article19260946.html

170123:

Lieber Herr Jarass,

die Diagnose von Sarah Wagenknecht leuchtet mir ein – umso mehr als ich sie in ähnlicher Form ja auch schon mehrfach angestellt habe. Schwierig wird es erst bei der Therapie, die beginnen in Wahrheit alle Probleme. Was Frau Wagenknecht ja andeuten und anregen möchte, ist eine Wiederherstellung des Sozialstaats – nur das ist leider gar nicht einfach, wenn nicht unter den gegebenen Verhältnissen schlicht unmöglich.

Wenn man teilt, verlieren die Reichen – das ist unvermeidlich. Angenommen, Europa hätte sich nach außen abgeschottet, dann hätten trotzdem Polen, Tschechien, Ungarn und andere Staaten einen Teil der produktiven Kapazitäten aus Deutschland abgezogen und dadurch zwangsläufig die dort zur Verfügung stehende Lohnquote geschmälert, wie es ja auch bis zu einem gewissen Grade geschehen ist. Dieser Ausgleich zwischen Reich und Arm war aber geplant – genau darin bestand das europäische Projekt. Das hätte Europa verkraftet.

Deutschland ist aber einen Schritt weitergegangen. Es hat sich nicht nur der reiche europäische Westen und Norden dem weniger wohlhabenden bis armen Osten und Süden geöffnet, sondern der neue Liberalismus sollte die ganze Welt umspannen – mit der Folge, dass nun eben auch große Teile der Industrie wie schon in den Vereinigten Staaten nach Asien abwanderten.

Damit der damals „kranke Mann Europas“ – das war Deutschland zur Zeit von Gerhard Schröder – da noch mithalten konnte, hat der Kanzler den Standort Deutschland verbilligt – anders gesagt, hat er den Sozialstaat einer starken Schrumpfkur unterzogen. So konnte Deutschland – auf einem niedrigeren Wohlstandsniveau – mit Asien mithalten und weiterhin seine gewaltigen Produktionsüberschüsse in alle Welt exportieren.

Ich habe immer die Meinung vertreten, Europa sei groß genug, um Handel vor allem auf dem eigenen Gebiet zu betreiben und sollte deshalb den Freihandel mit der außereuropäischen Welt begrenzen, dann wäre der Abbau, den Schröder betrieb, in diesem Ausmaß nicht erforderlich gewesen.

Deutschland hat eine andere Politik betrieben. Trotz der absinkenden Lohnquote – die vielen Jobs, von denen niemand mehr leben kann – ist immerhin nahezu Vollbeschäftigung erreicht. Dem Süden allerdings, der seine Wettbewerbsfähigkeit weitgehend eingebüßt hat, geht es dreckig. Von dort wird vermutlich das Ende der Union eingeläutet.

Von solchen Dingen ist allerdings bei der Linken und bei Frau Wagenknecht nicht die Rede.

Viele Grüße und alles Gute zum Neuen Jahr

Gero Jenner

(Leider gingen einige eMails der Korrespondenz verloren)